Sie posten Fotos von Sonnenuntergängen am Strand, den Laptop im Schoß und Cocktail in der Hand – mit den digitalen Nomaden in Berührung zu kommen ist die Lizenz zum neidisch werden. Wer von diesen jungen Menschen liest, die mithilfe digitaler Technologien von aller Welt aus arbeiten, gerät wohl ins Träumen und denkt sich „hach, so ein Leben – das wär‘s“. Ich persönlich dachte zumindest genau das. Der Wunsch, ebenfalls Deutschland und dem bevorstehenden Leben zwischen Auto, Büro und Couch zu entfliehen, wurde immer größer.
Wie ich darauf kam, digitaler Nomade zu werden
Die Idee, digitaler Nomade zu werden, entstand bei mir aus einer persönlichen Krise. Ich stand kurz vor dem letzten Semester meines Soziologiestudiums – die berufliche Laufbahn war in Sichtweite. Meinen Master zu machen kam für mich persönlich erst einmal nicht in Frage. Ich war das Bildungssystem satt, das meinem Empfinden nach Fleiß und gute Ausdrucksweise mehr bewertet als Können und inhaltliche Leistung. Zu oft hatte ich mitbekommen, dass Freunde eine schlechtere Note bekamen, nur weil sie nicht so gut schreiben konnten oder bei den Referatsfolien nicht so ein ästhetisches Auge hatten. Die Alternative machte mich aber genauso wahnsinnig: Was macht es für einen Sinn, mein Leben in irgendeinem Büro zu verschwenden? Was macht es für einen Sinn, immer mehr Geld zu verdienen, nur um damit völlig gestresst in irgendeinen zweiwöchigen Urlaub zu hetzen? Ich wollte ein anderes Leben, ich wollte ein erfülltes Leben. Irgendwann realisierte ich: Ich wollte ein Leben, wie es digitale Nomaden führen. Die Idee war geboren.
Als ich zum ersten Mal mit meinem Freund über den Einfall sprach, war ich mir sicher, dass er meinen Kopf wieder in Richtung Realität geraderücken würde. Auch wenn es für mich die Lösung meiner Probleme war, wusste ich, dass es auch unvernünftig war, ungewöhnlich und verrückt. Vor allem wenn man noch grün hinter den Ohren und erst 21 Jahre alt ist. Zu meiner Überraschung teilte mein Freund aber meine Gefühle und war sogar noch entschlossener, das Leben als digitaler Nomade zu versuchen. Was sollte schon passieren? Wenn es uns nicht gefällt, könnten wir immer noch zurück und hätten in der Zeit sicher viele neue Erfahrungen gemacht. So begannen wir, Pläne zu schmieden und Ideen für unser neues Leben zu sammeln.
Die Planung begann – und endete tatsächlich im Ausland
Ich begann, neben meinem Studium tonnenweise Informationen anzuhäufen und mir eigene To-do-Listen zu machen. Nach einiger Zeit fingen wir an, unserem Umfeld von den Plänen zu erzählen. Mit jedem Freund, jedem Bekannten, jedem Verwandten wurde unser Vorhaben realer. Viele bestärkten uns und sagten, dass wir nichts Besseres machen könnten. Viele versicherten uns, dass das für sie selbst nichts sei, sie den Plan aber bewundernswert fänden. Vielen fiel der Gedanke schwer, dass man sich dann nur noch selten sehen könnte. Als ich meinem Vater davon erzählte, war der sich erst mal sicher: „Jana, das ist nichts für dich!“. Eigentlich hatte er ja auch Recht. Ich war von unseren vielen Auslandsreisen einen Komfort gewöhnt, den ich mir nicht leisten könnte, bevorzuge eine gewisse Sicherheit und kann nicht behaupten, von unbekannten Solo-Situationen begeistert zu sein. Aber ich bin auch hartnäckig, dickköpfig und die wartende Alternative in Deutschland fand ich viel schlimmer als alles, was im Ausland auf uns zukommen könnte. Auch wenn es natürlich nicht einfach ist, die Familie und Freunde für so lange Zeit zu verlassen – ich war so entschlossen wie nie zuvor. Und auch mein Freund schien mit ganzem Herzen dahinter zu stehen.
Als Teneriffa als das erste Ziel im neuen Jahr feststand, legte ich so richtig los und kümmerte mich um Versicherungen, Bezahlungsmittel, Arztbesuche und sonstige Reise-Vorbereitungen. Dass wir nun wirklich seit einigen Wochen im Ausland sind und mit unseren Laptops arbeiten, ist dennoch schwer zu glauben. Wir haben es wirklich geschafft, unsere Planung endete wirklich im Ausland!
Was jetzt der weitere Plan ist
Oft wurden wir gefragt, wo wir denn dann alles hinwollen. Viele waren es von Weltreisenden oder Work and Travellern gewohnt, dass die komplette Route feststeht und Unterkünfte womöglich schon gebucht sind. Da wir uns aber mehr Zeit geben als nur ein Jahr und einfach nur die Freiheit haben wollen, dort zu sein wo wir gerade sein wollen, gibt es gar keinen richtigen Plan. Die Idee ist, sich treiben zu lassen, dort zu bleiben, wo es uns gefällt und die verschiedenen Länder lange und intensiv zu bereisen. Das einzige, was wir uns fest vorgenommen haben: An Weihnachten wollen wir wieder in Deutschland sein. Die ganzen Geburtstage und Treffen zu verpassen ist schon schwer genug – Weihnachten im Kreise der Liebsten zu verpassen wäre aber richtig schlimm.
Nachdem wir nun vier Wochen mit meinen Eltern im Südwesten Teneriffas verbracht haben, gibt es aber natürlich schon konkretere Pläne. Nach zwei Wochen im Norden Teneriffas heißt das nächste Ziel Südafrika. Mit einem eigenen Auto mit Dachzelt wollen wir das Land einige Wochen erkunden und uns langsam in Richtung Namibia bewegen. Im Juni treffen wir uns dann mit meinen Eltern und meiner Schwester in Namibia, im Juli kommen auch die Eltern meines Freundes. Ganz ohne Familie geht es halt irgendwie doch nicht. Aber auch das heißt für mich, digitaler Nomade sein: Die Freiheit zu haben genau das, genau dort, genau mit den Menschen zu machen, was einen Richtung Glücklich-Sein bringt. Was danach noch alles kommt, ist aber noch ungewiss.
Bin ich jetzt ein digitaler Nomade?
Der Definition nach bin ich vermutlich ein digitaler Nomade – schließlich lebe ich seit einigen Wochen ortsunabhängig und arbeite mit meinem Laptop von überall aus. Ich muss auch zugeben, dass dieser Begriff schlichtweg die einfachste Möglichkeit ist, den Lebensentwurf zu umschreiben. Dennoch würde ich mich nicht als digitalen Nomaden bezeichnen. Wer mich nach meinen Auslandsplänen fragt bekommt die Antwort „ich arbeite ortsunabhängig und mache so eine Art Weltreise“. Vielleicht fühle ich mich nach der kurzen Zeit auch einfach noch nicht nomadig genug, um mich so zu bezeichnen. Das wird wohl die Zeit zeigen.
Hier weiterlesen:
>> Teil 2 | Vom Träumen zum Machen: Die ersten Schritte zum ortsunabhängigen Leben
>> Teil 3 | Die wichtigsten To-do’s: Versicherungen, Bezahlungsmittel, Arztbesuche
>> Teil 4 | Die erste Zeit ortsunabhängiges Leben
>> Teil 5 | Jetzt geht’s los – also, so richtig
>> Teil 6 | Mein Leben als digitaler Nomade in Kapstadt & Umgebung
>> Erfahrungen von 9 Monaten Leben als digitaler Nomade: Jana berichtet
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