„Jede Reise verändert mich, sonst würde ich mit dem Reisen aufhören”

Mit 20 Jahren hat Jannis Riebschläger aus Leverkusen bereits einen Reiseblog aufgezogen, zwei E-Books veröffentlicht, eine erfolgreiche Reisedoku produziert, eine Filmproduktion gegründet und eine Online-Filmschule auf die Beine gestellt. Zweifelsohne ist Jannis einer der absoluten Senkrechtstarter unter den Digitalen Nomaden. Wir haben den abenteuerlustigen Jungunternehmer zu seinem digitalnomadischen Lifestyle, seinen Reisen und Projekten sowie Zukunftsplänen befragt.

Jannis Weg zum Digitalen Nomaden

Der digitale Nomade Jannis Riebschlaeger in Ägypten

w&t/magazinJannis, würdest du dich selbst als digitalen Nomaden bezeichnen?

Jannis: Jein. Also ich arbeite ortsunabhängig und kann mir meine Jobs suchen, wo ich will. Letztlich ist digitaler Nomade ein dehnbarer Begriff. Die meiste Zeit bin ich unterwegs. Jetzt gerade bin ich zu Besuch bei meinen Eltern. Morgen fliege ich nach Thailand und Vietnam für einen Monat, von da dann nach Ägypten und weiter nach Marokko. So lebe ich seit etwa zweieinhalb Jahren.

w&t/magazin: Wow, eine lange Zeit. Wie kam es dazu?

Jannis: Ich habe mit 18 mein Gewerbe angemeldet, das ist jetzt bald drei Jahre her. Ich bin dann aber noch ein halbes Jahr zur Schule gegangen und habe nebenbei mein Business als Werbetexter aufgebaut und meinen Reiseblog gestartet. So konnte ich direkt nach dem Abi in die Selbstständigkeit starten und dank meiner Online-Tätigkeit als digitaler Nomade die Welt bereisen. Ich bin direkt am Tag nach dem Abi-Ball aufgebrochen und seitdem mache ich das.

w&t/magazinWoher kam deine Begeisterung für diesen Lifestyle und die Idee für ein eigenes Business?

Jannis: Ich war immer schon total reisebegeistert. Früher waren die Sommerurlaube mit meinen Eltern das Highlight des Jahres. Dementsprechend habe ich überlegt, wie ich das später weitermachen könnte mit den Reisen. Zuerst wollte ich voll in die heftige Business-Schiene gehen, zehn Jahre durch powern und Geld beiseite legen. Dann dachte ich mir aber, dass es eine Verschwendung wäre, in meinen besten Jahren, wo ich fit und gesund bin, nur hinter dem Schreibtisch zu hängen. Deshalb habe ich nach einer Lösung gesucht, wie ich Arbeit und mobilen Lifestyle vereinen kann.

w&t/magazin: Bist du in diesem Zusammenhang dann auf die Digitale-Nomaden-Bewegung gestoßen?

Jannis: Nein, witzigerweise gar nicht. Ich fing an, mich schlau zu machen, als ich in der letzten Stufe der Realschule war. Da habe ich die typischen Keywords gegoogelt wie „mobiler Lifestyle“ und wirklich nichts gefunden im deutschen Raum. Das war 2011/ 2012. Daher beschloss ich, das Abi doch noch zu machen, auch weil ich gemerkt habe: Selbstständig machen unter 18 ist wahnsinnig bürokratisch und auch nur in sehr kleinem Rahmen möglich, mit Stunden-Deckelung und sowas allem. Während des Abis bastelte ich dann an meinem Reiseblog. Als ich in den Sommerferien 2014 die Alpen zu Fuss überquerte und danach weiter nach Süditalien trampte, schrieb ich auf meinem Reiseblog darüber. Inzwischen war der Digitale-Nomaden-Hype auch in Deutschland angekommen und in Berlin fand die erste DNX statt, eine Konferenz für digitale Nomaden. Ich habe dann direkt mein Ticket für die zweite DNX gebucht.

Die erste Solo-Reise nach Italien

Digitale Nomaden trampen nach Italien

“Ich sehe das Gute im Menschen und vertraue darauf, dass man überall gute Menschen trifft. Das hat sich bisher immer bewahrheitet.”
 

w&t/magazin: Die Tour nach Italien war deine erste Reise allein?

Jannis: Genau. Als ich 18 war bin ich in den Sommerferien einfach los getrampt. Ich wollte endlich mal etwas auf eigene Faust machen. Und dann habe ich mich an die Straße gestellt und den Daumen rausgehalten. Eigentlich wollte ich in dem Jahr Survival-Urlaub in Skandinavien machen, weil ich totaler Naturfan bin. Drei Wochen einfach nur mit dem Zelt in die Wildnis. Doch dann hatte ich in dem Jahr einen Schüleraustausch mit Süd-Italien. Die Süditaliener sind so herzlich, das ist total ansteckend. Da habe ich spontan entschlossen: Die muss ich noch mal besuchen. Ich bin dann einfach los getrampt Richtung Süden. Auf dem Weg lagen die Alpen, die musste ich dann auch noch überqueren. Da habe ich das dann mit der Natur abgedeckt und bin rüber gewandert.

w&t/magazin: War das nicht anstrengend, mit einem großen Rucksack auf dem Rücken mal eben die Alpen zu überqueren?

Jannis: Ich hatte eine sehr minimalistische und leichte Ausrüstung dabei. Die ganzen Ausrüstungsteile habe ich mir vorher bewusst zusammengestellt. Das Zelt habe ich mir selbst genäht, da mir die aus dem Handel zu schwer und zu klobig waren. Ich war dann so mit 14 bis 15 Kilo unterwegs, das ging noch. Für die Alpenüberquerung habe ich ca. zwei Wochen gebraucht und mittlere Etappengrößen von etwa 20 Kilometern am Tag zurückgelegt. Das war für mich gut machbar.

w&t/magazin: Wie ging es danach weiter?

Jannis: Anschließend bin ich nach Süditalien getrampt, wo ich die unglaubliche Gastfreundschaft der Italiener erlebt habe. Ich wurde immer wieder von meinen Fahrern zum Abendessen eingeladen und konnte manchmal sogar auf der Couch übernachten. Am Ende meiner Reise habe ich noch zwei Wochen in Bari verbracht und meine Freunde vom Schüleraustausch besucht.

w&t/magazin: Wow, das ist wirklich mutig, dass du bei deiner ersten Solo-Reise gleich allein bis nach Süditalien trampst und unterwegs couchsurfst. Hattest du kein mulmiges Gefühl dabei?

Jannis: Also aufgebrochen bin ich mit einer guxten Freundin. Die Alpen-Überquerung haben wir zusammen gemacht. Danach ist sie allerdings wieder Richtung Norden gefahren und ich bin allein weiter nach Süditalien getrampt. Ich hatte eigentlich keine großen Bedenken, weil ich immer schon ein großer Menschenfreund bin, das Gute im Menschen sehe und darauf vertraue, dass man überall gute Menschen trifft. Das hat sich bisher immer bewahrheitet.

Abenteuerreisen und digitalnomadischer Lifestyle

w&t/magazin: Wie schaffst du es, deinen abenteuerlustigen Reisestil mit dem ortsunabhängigen Arbeiten zu verbinden?

Jannis: Ich mache sehr viele Projektarbeiten. Ich habe also wenige Dauerkunden, mache alles von Projekt zu Projekt und blocke mir dann immer die Zeit fürs Reisen. Dann bleibe ich wieder eine Zeit an einem bestimmten Ort und mache den Auftrag fertig, bevor es weitergeht.

w&t/magazin: Womit verdienst du dein Geld als Digitaler Nomade?

Jannis: Angefangen habe ich damals wie gesagt als Werbetexter. Über meinen Blog als Referenz habe ich schnell Kunden gefunden. Noch während dieser Alpenüberquerung haben mich Reiseportale wie Neckermann und Thomas Cook angeschrieben. Für die habe ich dann getextet und konnte mir so die weiteren Reisen finanzieren. Dann habe ich zwei eigene E-Books veröffentlicht. Das erste „Sud – eine Abenteuerreise nach Süden“ über die Alpenüberquerung und Tramp-Tour nach Süditalien wurde in den ersten drei Tagen über 1.000 Mal runter geladen. Darüber konnte ich mir dann mein Filmprojekt finanzieren. Nach dem Abi bin ich zum Nordkap getrampt und habe dabei meine Abenteuer-Doku Hyperborea gedreht, die in über 40 Kinos deutschlandweit lief, und damit wieder ein bisschen Geld gemacht. Aktuell lebe ich von der Imagefilm- und Auftragsproduktion. Ich produziere also für Kunden diese Vorstellungs-Videos, die man auf Webseiten sieht.

Der digitale Nomade Jannis Riebschläger stellt seinen Film vor
Jannis bei einer Filmpräsentation seiner Abenteuer-Doku “Hyperborea – Per Anhalter zum Nordkap”

w&t/magazin: Was ist dein liebstes Reiseland?

Jannis: Nepal fand ich enorm spannend. Dort habe ich letzten Winter drei Monate verbracht. Da gibt ist einfach unheimlich viel auf sehr engem Raum, das finde ich so spannend. Also auf einer Fläche von Nordrhein Westfalen – das ist in etwa die Mitte von Nepal – hast du zum einen die tollsten Berglandschaften, die du dir vorstellen kannst. Im Süden an der Grenze zu Indien gibt es dann die dichteste Dschungel-Landschaft mit der höchsten Nashorn- und Tiger-Dichte weltweit, dort kann man wunderbar trecken gehen. Außerdem gibt es diese typischen Strohhütten auf dem Land mit den Reisfeldern und dann wieder richtige Großstädte, wie man sie aus Thailand kennt. Dieses Land ist einfach wahnsinnig vielseitig. Ich war dort auch einen Monat als Volunteer in einer Drogen-Reha. Dort habe ich mich mit einem Local angefreundet, der mich zu sich nach Hause eingeladen hat. Der wohnte in so einem Slum-Gebiet. Das war eigentlich das Spannendste: so richtig einzutauchen und mal das Leben vor Ort – wirklich der Locals – zu sehen.

“Das war eigentlich das Spannendste: so richtig einzutauchen und mal das Leben vor Ort – wirklich der Locals – zu sehen.”

w&t/magazin: Und hast du von dort auch gearbeitet?

Jannis: Ja, auch. Das war direkt vor meiner Kinotour. Nach der Premiere bin ich los geflogen und als ich zurück kam, ging es direkt auf Deutschland-Tour mit dem Film. Dementsprechend war da wahnsinnig viel Koordination notwendig. Ich habe mir dann bewusst Phasen fürs Arbeiten geblockt. Das Arbeiten mit Internet hat in Nepal allerdings sehr viel Geduld gefordert, weil es entweder Stromausfall gab oder das Internet gerade weg war. Deshalb habe ich dann schnell die wichtigsten Aufgaben abgegeben und mir eine Event-Managerin und eine virtuelle Assistentin gesucht, die für mich das Day Business erledigt haben. So musste ich nur noch einmal die Woche den Stand checken, neue Aufgaben ins Trello-Board eintragen und dann lief das so gut wie von selbst. Dadurch konnte ich mich dann auch ganz auf das Land konzentrieren. Ab und zu habe ich auch mal einen Blog-Artikel veröffentlicht, aber da ich nie den Anspruch hatte, von meinem Blog zu leben, musste ich mich darum nicht so ausführlich kümmern.

w&t/magazin: Bist du auf deinen Reisen eigentlich hauptsächlich allein unterwegs?

Jannis: Das ist total gemischt. Theoretisch bin ich allein unterwegs, aber ich lerne auf jeder Reise Leute kennen und schließe mich irgendwo spontan an oder mir schließen sich spontan Leute an. Deshalb habe ich mich eigentlich nie einsam gefühlt, denn man lernt gerade auf Reisen so schnell Leute kennen. Wer nicht allein sein will, der muss es auch nicht sein. Manche Leute trifft man unterwegs auch immer wieder, gerade die Leute aus der deutschen Digitale-Nomaden-Community. Ich war jetzt kürzlich mit 30 Leuten im Rahmen von einem DNX Camp in Ägypten und bin dann spontan mit einigen Leuten vom Camp über Silvester nach Holland gefahren. Später habe ich ein paar von denen in Hamburg wiedergetroffen. Das ist echt schön, auf Reisen Leute kennenzulernen, die so ähnlich leben und arbeiten wie man selbst und diese dann an den unterschiedlichsten Orten wieder zu treffen.

Tipps für angehende Digitale Nomaden

die besten Tipps vom digitalen Nomaden Jannis Riebschläger

w&t/magazin: Welchen Tipp würdest du angehenden digitalen Nomaden mit auf den Weg geben?

Jannis: Auf jeden Fall sollte man die Anfangsphase nicht unterschätzen. Denn um ein Business ins Rollen zu bringen, muss man am Anfang viel Arbeit reinstecken und es kommt erstmal sehr wenig Geld dabei raus. Daher finde ich die Einstellung „Ich kündige meinen Job und gehe sofort auf Reisen“ ein bisschen gefährlich, weil man sich schnell übernimmt und dann auch schnell frustriert ist, dass man die schönsten Länder bereist und trotzdem irgendwie immer nur vorm Laptop hängt. Da würde ich empfehlen, sich wirklich ganz konkret Phasen für einen Launch zu blocken und da dann nur zu arbeiten. Dann kann man sich im Anschluss ganz bewusst Zeit nehmen, um etwas vom Land zu sehen. Außerdem sollte man erstmal nur ein Projekt starten und wenn das läuft, das nächste in Angriff nehmen und nicht alles auf einmal raushauen.

w&t/magazin: Hast du da schlechte Erfahrungen gemacht?

Jannis: Definitiv. Nachdem ich mein erstes E-Book veröffentlicht hatte, habe ich direkt das zweite für nur anderthalb Monate später angekündigt. Das habe ich groß auf der Bühne vor etwa 500 Leuten verkündet, obwohl ich noch nicht mal angefangen hatte, das Buch zu schreiben. Das war schade, weil ich mich dann so auf das neue E-Book fokussiert habe, dass ich das Alte nicht mehr gut weiter promoten konnte. Und nach der Kinotour habe ich direkt an zwei Online-Kursen gearbeitet und die Filmproduktion aufgebaut. Zu der Zeit habe ich auch noch meinen Motorrad-Führerschein gemacht und war auf Motorradtour durch Europa. Also echt, das war viel zu viel, besser man richtet den Fokus auf ein Projekt.

Deine schlimmste Reiseerfahrung?

w&t/magazin: Was war das Schlimmste, das dir bisher auf Reisen passiert ist?

Jannis: Schlimm ist relativ, weil ich bisher immer die Erfahrung gemacht habe: Egal, was einem passiert, es gibt überall auf der Welt tolle Menschen, die dir helfen, da wieder rauszukommen. Nicht so schön war allerdings ein Erlebnis auf der Motorradtour, die ich eben schon angesprochen habe. Da hatte ich mir Sponsoren gesucht, Harley Davidson hat mir ein brandneues Bike vor die Tür gestellt und Hein Genicke die kompletten Klamotten. Da bin ich also for free auf dem Motorrad durch Europa gereist und hätte das gern auch ein paar Monate lang so gemacht. Nach drei Wochen bin ich dann allerdings in Bosnien morgens aus dem Zelt gekommen und das Motorrad war weg. Das war nicht so schön. Oder auf dem Weg zum Nordkapp haben wir uns spontan Schlauchboote zugelegt und wollten die 300 Kilometer von Vilnius bis ans baltische Meer runter paddeln. Da waren wir viel langsamer als gedacht und uns ging der Proviant aus. Deshalb mussten wir uns Nahrung aus der Natur suchen und haben dabei leider auch giftige Muscheln erwischt. Das war auch nicht so toll. Erstmal lagen wir drei Tage auf der Wiese und haben uns die Seele aus dem Leib gekotzt. Und dann wurde es bei meinem Kumpel Joel so schlimm, dass er ins Krankenhaus musste. Bei der Alpenüberquerung bin ich außerdem im Gletscher eingebrochen und wurde einmal von Stieren vor meinem Zelt geweckt.

w&t/magazin: Wow, da ist wirklich einiges schief gelaufen. Aber wie man sieht hat es deine Reisebegeisterung nicht beeinträchtigt. Haben dich die ganzen Reisen verändert?

Jannis: Ja, auf jeden Fall. Ich komme von jeder Reise verändert wieder und wenn das nicht so wäre, dann würde ich mit dem Reisen aufhören. Ich finde, das ist das Spannende. Man macht immer wieder neue Erfahrungen und lernt sich selbst besser kennen. Man lernt nicht nur neue Leute, Länder und Kulturen kennen, sondern man lernt vor allem auch die eigene Kultur besser kennen. Die Unterschiede machen einem erstmal bewusst, was Deutschland eigentlich ausmacht.

Zukunftspläne?

Die Zukunftspläne des digitalen Nomaden Jannis Riebschläger

w&t/magazin: Wie sehen deine Zukunftspläne aus? Willst du noch lange so digitalnomadisch leben?

Jannis: Das Schöne ist: Ich habe jetzt selbst in diesen drei Jahren Selbstständigkeit schon so viele unterschiedliche Projekte ausprobiert und ich sehe keinen Grund, damit aufzuhören. Denn immer, wenn mir vielleicht eine Sache nicht mehr so viel Spaß macht, kann ich umsatteln und irgendetwas anderes machen. Von daher ist bei mir das Ende wirklich offen. Gerade bin ich absolut begeistert von der Filmproduktion: Diese Mischung aus direkt vor Ort mit den Leuten arbeiten, das Technische mit der Kamera und die Postproduktion, wenn man wieder etwas Ruhe hat, gibt mir total viel. Ich gebe viele Workshops zu dem Thema und halte Vorträge, was mir auch super viel Spaß macht. Ich habe auch eine Online-Filmschule aufgezogen, die Easy Movie School, wo ich anderen Filmbegeisterten beibringe, wie sie ihre Filmprojekte realisieren können. Da sehe ich mich auch absolut noch die nächsten Jahre.

Vielen Dank für das spannende Interview, Jannis!

Du willst mehr über Jannis, seine Abenteuer und den Lifestyle eines digitalen Nomaden erfahren?

Blog: Jannis’ Life
Filmproduktion: Jannis Production 

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