Interview mit Sebastian Kühn: Entdecke den Lebensstil der Digitalen Nomaden

Wie fühlt es sich an, ortsunabhängig zu arbeiten und dabei die Welt zu entdecken? Wir wollten es genau wissen und haben Sebastian Kühn, erfahrenen Digitalnomaden, Autor und Unternehmer, gefragt. In unserem Interview gibt er spannende Einblicke in sein Leben, teilt praktische Tipps für den Einstieg und zeigt, dass dieser Lebensstil weit mehr ist als nur das Arbeiten an exotischen Orten.

Sebastian erzählt, was digitale Nomaden antreibt, welche Herausforderungen es gibt und wie du selbst herausfinden kannst, ob dieser Weg zu dir passt. Egal, ob du erste Schritte ins ortsunabhängige Arbeiten wagen willst oder schon mittendrin bist – seine Erfahrungen und Ratschläge bieten Inspiration für alle, die das Leben jenseits des Status quo erkunden möchten.


Unsere Frage:

Was sind eigentlich Digitale Nomaden? Was macht diesen Lebensstil aus?

Sebastian antwortet

Gemeinsam haben wohl alle, dass sie mit digitalen Geschäftsmodellen oder Remote-Anstellungen unabhängig von einem festen Ort arbeiten können. Der viel wichtigere Aspekt für mich ist aber die Lebenseinstellung – eine Offenheit für Neues, für alternative Lebenskonzepte, für Technologien, für andere Orte und das Hinterfragen des Status Quo. Wie die analogen Nomaden bewegen wir uns außerhalb von vorgefertigten (Lebens)Wegen und versuchen unsere eigenen Pfade zu finden.


Unsere Frage:

Was ist die beste Möglichkeit, um sich als Digitalnomade auszuprobieren?

Sebastian antwortet

Anstatt alle Brücken hinter dir abzureißen, würde ich das Konzept “Digitales Nomadentum” testen. Nimm dir 4 Wochen Urlaub oder Auszeit. Suche dir einen Ort, wo es viele digitale Nomaden gibt, oder nimm an einer Workation teil. Teste in dieser Zeit eine Geschäftsidee, versuche dich als Freelancer:in oder mache eine Online-Weiterbildung. Besuche vor Ort Meetups und gehe in Coworking Spaces. Reflektiere dann, ob das selbständige Arbeiten außerhalb des Büros etwas für dich ist und ob du mit den Menschen um dich herum etwas anfangen kannst.


Unsere Frage:

Was sind die besten Orte, um andere Digitale Nomaden zu treffen?

Sebastian antwortet

Es gibt die Nomadlist, die super zur Recherche ist. Meine persönlichen “Hotspots” in Europa sind Lagos in Portugal, Barcelona, Berlin und Bansko in Bulgarien. Außerhalb von Europa sind es Bali, Chiang Mai, Ko Lanta und Bangkok in Thailand, Puerto Escondido und Playa del Carmen in Mexiko, Medellin in Kolumbien, Pokhara in Nepal und Kapstadt in Südafrika. All diese Orte haben eine gute Infrastruktur zum Arbeiten (schnelles Internet, schöne Wohnungen, gute Coworking Spaces) und große Communities von Digitalen Nomaden, die sich regelmäßig treffen. Wichtig dabei ist die bewusste Entscheidung, ob du ein Land bereisen oder dort produktiv arbeiten möchtest. Beides zusammen ist langfristig schwierig, weshalb ich trotz aller Unabhängigkeit bewusste Urlaubszeiten einlege.


Unsere Frage:

Gibt es „den einen“ DN oder gibt es verschiedene „Typen“ von DN?

Sebastian antwortet

Wie bei jedem Stereotypen gibt es auch bei Digitalnomaden eine große Bandbreite. Manche reisen konstant ohne festen Wohnsitz, andere nutzen die Möglichkeit zur Remote Arbeit eher, um den Winter auf den Kanaren zu verbringen. Von der Arbeit im Home Office zum Perpetual Traveller, von Single Nomaden zu weltreisenden Familien, von kleineren Freelancer-Tätigkeiten zu Millionen-Unternehmen – all diese Typen begegnen mir auf meinen Reisen.


Unsere Frage:

Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten ersten Schritte, um selbst DN zu werden?

Sebastian antwortet

Grundsätzlich braucht es eine gewisse Toleranz für Unsicherheit, die die Selbständigkeit mit sich bringt und die das Arbeiten von verschiedenen Orten noch verstärkt. Als Remote Worker solltest du dich gut selbst motivieren können und gerne Verantwortung übernehmen.

Deshalb hinterfrage zuerst deine eigene Motivation: Warum will ich das? Und, will ich das wirklich (oder nur wegen schöner Fotos auf Instagram)? Ein eigenes Unternehmen aufzubauen oder sich als Expert:in zu positionieren, braucht Ausdauer. Und Ausdauer braucht intrinsische Motivation.

Dann würde ich überlegen, ob ich etwas gut kann, für das andere Menschen Geld bezahlen. Welches Problem kann ich für andere lösen? Das würde ich als Experte für einen Stunden- oder Tagessatz anbieten. Wenn es dafür einen echten Bedarf gibt, kann die Dienstleistung anders “verpackt” werden (z.B. Software, physisches Produkt, Videokurs, Coaching-Programm, …) oder standardisiert und Teilaufgaben an Mitarbeiter ausgelagert werden.


Unsere Frage:

Was würdest du anderen Menschen empfehlen, die gerade über ihren zukünftigen Lebensweg nachdenken?

Sebastian antwortet

Platz schaffen. Sowohl im Kalender als auch im Kopf. Das funktioniert für mich am besten mit kleinen Auszeiten. Gehe mal für ein Wochenende ganz allein wandern oder miete einen kleinen Bungalow im Wald. Raus aus deinem gewohnten Umfeld. Lasse das Handy, den Laptop und alle Verpflichtungen daheim. Nach 1-2 Tagen ändert sich die Qualität der Gedanken in deinem Kopf. Dann hörst du eine Stimme aus deinem Inneren, die in deinem lauten Alltag wenig Gehör bekommt. Anders als der wertende Verstand flüstert dir diese weise Stimme wohlwollende Ratschläge zu.


Unsere Frage:

Welche schlechten Ratschläge hörst du viel zu oft?

Sebastian antwortet

“Mit dieser Anleitung wirst du …” Es gibt so viele Ratgeber für Glück, Reichtum, Beziehungen, …. Schritt-für-Schritt-Anleitungen sind sinnvoll für mechanische Vorgänge wie Reifenwechsel oder Kuchenrezepte, nicht aber für das Leben. Diese Heilsversprechen sind verführerisch, weil sie Abkürzungen und Blaupausen versprechen. Aber sie können nicht  funktionieren. Dafür bist du mit deiner Persönlichkeit, deinen Fähigkeiten und Motivatoren viel zu individuell. Du brauchst eigene Erfahrungen, um dich selbst kennenzulernen und herauszufinden, was du willst. Das kann dir kein Ratgeber abnehmen.


Unsere Frage:

Weshalb bist du so ein großer Fan von Selbstversuchen?

Sebastian antwortet

In meinen 20ern habe ich Leichtigkeit in meinem Leben vermisst. Diese spielerische Sicht auf die Welt, die wir alle als Kinder hatten. Diese Neugier habe ich durch kleine Abenteuer wieder in mein Leben zurückgeholt. Durch selbst auferlegte Challenges, Wettbewerbe mit Freunden und absichtsloses Spielen. So habe ich mich unter anderem je einen Monat nur von Früchten ernährt, habe anonym gelebt, war in einem Selbstversorgerdorf, im Nudistencamp und im Schweigekloster. Diese praktischen Erlebnisse haben mich wieder mehr zu mir geführt. Sie haben mir gezeigt, wo ich in meinen Ansichten festgefahren bin und wie viel mehr das Leben für mich bereithält, wenn ich mich darauf einlasse.

Dieses spielerische Ausprobieren habe ich in den letzten Jahren auch gemeinsam mit Gruppen gemacht. Mal ging es um Ernährung, mal um Kreativität, grundsätzlich aber immer darum, aus der eigenen Routine auszusteigen und Gewohnheiten zu ändern. Daraus habe ich ein Online-Angebot entwickelt, bei dem wir uns gemeinsam auf unterschiedliche Selbst[ver]suche einlassen.


Unsere Frage:

Welche neue Gewohnheit hat dein Leben enorm bereichert?

Sebastian antwortet

Morgens nach dem Aufwachen ein paar Minuten im Bett liegen zu bleiben und meine Gedanken zu beobachten. Es ist so spannend, was in meinem Kopf los ist, bevor irgendetwas um mich herum passiert. Wenn mich ein Gedanke wiederholt stresst, schreibe ich ihn auf. Dann schaue ich ihn mir aus unterschiedlichen Perspektiven an (inspiriert durch “The Work” von Byron Katie). So verkehrt sich beispielsweise “Person X sollte mir besser zuhören” ins Gegenteil: “Ich sollte Person X besser zuhören” oder “Person X sollte genauso sein, wie sie/er ist”. Ich spüre dann ganz intuitiv, welche Version meiner selbst erzählten Geschichte wahrer ist und muss diesen zuvor stressigen Gedanken nicht mehr so ernst nehmen.


Unsere Frage:

Welches Buch hast du am meisten verschenkt?

Sebastian antwortet

An Menschen in meinem Umfeld, die gerade etwas orientierungslos sind, habe ich oft “Das Café am Rande der Welt” von John Strelecky oder “Jetzt” von Eckhart Tolle verschenkt. An Erwachsene, die sich vom Ernst des Lebens erdrückt fühlen: “Der Kleine Prinz” von Antoine de Saint-Exupéry oder “Pippie Langstrumpf” von Astrid Lindgren. Als spirituelle Werke voller zeitloser Weisheiten lese ich selbst regelmäßig in der “Bhagavad Gita” und im “Dao De Jing”.


Unsere Frage:

Was würdest du auf ein riesiges Billboard schreiben?

Sebastian antwortet

“Wer bist du, wenn niemand zuschaut?”


Danke Sebastian für diese wirklich inspirierenden und motivierenden Antworten und wir hoffen, dass sich nun viele LeserInnen auf Auslandsjob.de von deinen Erfahrungen und Anregungen angesprochen und motiviert fühlen. Wir wünschen dir viel Erfolg mit deinem neuen Selbstversuche-Projekt.

Das Team von Auslandsjob.de

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