Ausgewandert nach Kanada… eine Deutsche im Interview

Miriam, (40) ist im Alter von 27 nach einem abgeschlossenen Studium während einer Weltreise in Kanada hängengeblieben. Zusammen mit ihrem Mann bietet sie Kanu und Hundeschlittentouren in Saskatchewan an. Johanna vom work&travel/magazin hat sie interviewt.

Frau mit Huskys im Schnee

w&t/magazin: Was war deine Motivation dein Leben in Deutschland aufzugeben bzw. ein neues Leben in Kanada anzufangen?

Miriam: Eigentlich habe ich mir darüber kaum Gedanken gemacht. Ich hatte mein Studium in Bremen abgeschlossen und hatte mir Zeit genommen, um die Welt zu reisen. Was ich danach machen würde war mir noch nicht ganz klar. Ein Neuanfang stand bevor – so viel wusste ich. Das dieser Neuanfang in Kanada stattfand war auch für mich eine Überraschung. Ich habe dort Quincy kennengelernt (der inzwischen mein Mann ist) und er hatte gerade ein Waldgrundstück erworben auf dem er ein Haus bauen wollte. Ein eigenes Haus selbst zu bauen fand ich total verlockend. “Lass es uns doch zusammen versuchen,” habe ich gesagt. Wenn’s zwischen uns nicht klappt, dann reise ich halt weiter. Jetzt sind’s dreizehn Jahre und ich bin immer noch hier.

w&t/magazin: Warum ausgerechnet Kanada? Standen auch andere Länder zur Auswahl?

Miriam: Ich habe nach dem Abi ein Jahr in Schottland gewohnt. Eigentlich dachte ich, ich würde dort irgendwann mal leben. Also ganz ein Zufall war’s wohl nicht, dass ich ausgewandert bin. Der Norden hat mich schon immer angezogen. Vor allem die Natur und die Naturverbundenheit.

w&t/magazin: Was fasziniert dich am meisten an Kanada?

Miriam: Hmmm… schwer zu sagen. Natürlich ist da die Wildnis, die sozusagen meinen Hinterhof ausmacht. Ich könnte von hier mit den Hunden zum Nordpol reisen ohne eine einzige Straße überqueren zu müssen. Das ist schon recht fantastisch. Aber da ist auch noch etwas mit der Einstellung der Menschen die hier leben. Ich wollte immer schon Künstlerin sein. Wenn ich das in Deutschland erwähnt habe, haben Leute mich schockiert angeguckt. ‘Das ist aber eine brotlose Kunst, mach besser was anderes.’ Hier in Kanada war die Reaktion der Leute ganz anders: ‘Na warum bist es dann nicht?”

w&t/magazin: Wie sieht dein Leben in Kanada aus? Wie verbringst du deine Freizeit?

Miriam: Wir haben im Moment zwölf Alaskan Huskies. Mit denen verbringen wir die meiste Zeit. Im Winter per Hundeschlitten und im Sommer hatten wir eine Hütte auf einer einsamen Insel, in der wir Zeit mit den Hunden verbracht haben. Die ist leider letzten Sommer im Waldbrand abgebrannt, also verbringen wir einen großen Teil unserer Freizeit wieder einmal mit Bauen. Ansonsten Kanufahren, Beeren- und Pilze sammeln, Lesen… und dann natürlich Schreiben und Malen, aber das sehe ich eher als Arbeit an.

w&t/magazin: War es schwer für dich deine Heimat hinter dir zu lassen?

Miriam: Nicht wirklich. Klar vermisse ich Freunde und Familie, aber Deutschland hat sich nie so richtig für mich angefühlt.

w&t/magazin: Viele junge Reisende haben am meisten Angst vor der fremden Sprache und befürchten das das Schulenglisch nicht ausreicht. Wie bist du damals mit dem kanadischen Englisch klargekommen?

Miriam: Das war eigentlich überhaupt kein Problem. Die Leute hier waren (und sind auch immer noch) sehr geduldig, wenn ich mal Probleme habe, das richtige Wort zu finden.

w&t/magazin: Hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht in einem anderen Land zu leben bzw. zurück nach Deutschland zu kommen?

Miriam: Schottland wie gesagt, aber Deutschland nicht wirklich. Ich glaube, ich würde micht nicht mehr zurecht finden unter all den Menschen…

w&t/magazin: Der kanadische Winter ist lang und hart, hast du ihn jemals verflucht und dich in ein wärmeres Land gewünscht?

Miriam: Nicht, wenn man Schlittenhunde hat. Dann verflucht man eher die Mücken im Sommer und sehnt sich nach dem Winter. ;-)

w&t/magazin: Hattest du Probleme oder Schwierigkeiten bei der Einwanderung?

Miriam: Ja und nein. Ich war schon ein Jahr mit Quincy zusammen, als ich einwandern wollte, aber das Immigration Center hat unsere Partnerschaft nicht anerkannt, weile ich zwischendurch für zwei Monate in Deutschland war. Sie haben mir am Flughafen ein 3-Wochen-Visa gegeben und gesagt, wenn ich’s doch ernst meinen würde mit meinem “sogenannten Partner” sollte das uns doch genügend Zeit geben zu heiraten. Das haben wir dann halt gemacht und danach war’s nur noch Papiere ausfüllen und warten, warten, warten.

w&t/magazin: In welchem Bereich arbeitest du und wie schnell hast du einen passenden Job gefunden?

Miriam: Ich habe Psychologie in Deutschland studiert und habe dann hier auch schnell einen Job als Schulpsychologin gefunden. Kurz danach haben wir dann angefangen Hundeschiltten- und Kanutouren anzubieten. Das habe ich dann für zehn Jahre gemacht und nebenbei für Magazine fotografiert und geschrieben, Kinderbücher illustriert und einen Roman geschrieben, der diesen Herbst rauskommt (Yellow Dog, 2016, Red Deer Press). Ich gebe Kunstworkshops und unterrichte Kunstprojekte mit Kindern. Also inzwischen verdiene ich mein Brot mit all dem, was man in Deutschland so als brotlose Kunst bezeichnet.

w&t/magazin: Was vermisst du an Deutschland?

Miriam: Mit Freunden mal in nem gemütlichen Cafe zu sitzen, mit gutem Essen und gutem Bier… und meinen Neffen aufwachsen zu sehen.

w&t/magazin: Kanada ist riesig, welche Region gefällt dir am besten?

Miriam: Die Arktis (NWT und Nunavut). Wir haben mehrere Expeditionen dorthin gemacht und sind mehrere tausend Kilometer bei Kanu und Hundeschlitten gereist, aber dort zu wohnen ist doch zu harsch. Dann bleibe ich lieber hier im Norden von Saskatchewan, das bekannt ist für die 100 000 Seen und ganz wenig bevölkert ist. Hier kann man ganz alleine an ‘nem See sitzen und weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen.

w&t/magazin:Typische Kanadier verreisen meist nicht über die Landesgrenzen hinaus, immerhin ist ihr eigenes Land groß genug und es gibt unendlich viel zu entdecken. Welche andere Länder reizen dich und wohin verreist du wenn du mal aus Kanada raus kommst?

Miriam: Seit dem ich in Kanada wohne, bin ich nur in Deutschland gewesen um Familie zu besuchen. Ach ja, und einmal mal mit Quincy in den französischen Alpen, wo wir mit Eliot dem Esel wandern waren. Was mich schon noch reizen würde ist Grönland, aber erst mal gibt’s noch genug in der Kanadischen Arktis zu erkunden.

w&t/magazin: Hast du Tipps für Kanadabegeisterte die auch gerne auswandern würden?

Miriam: Außer mal ganz schnell von heute auf morgen zu heiraten, wenn’s erforderlich ist? Hmm…. Ich denke, ‘ne allgemeine Offenheit und Bereitschaft Risiken einzugehen und an seine Träume zu glauben ist hilfreich.

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