Martin Gleiss in Japan: Aikido-Kid doing Work & Travel

Mit den Kindern beim Aikido

Interview mit Martin Gleiss, der in Japan vor allem seine Aikido-Künste perfektionieren wollte, Work-and-Travel diente ihm als Mittel zum Zweck. Im Land des Lächelns hat er nicht nur die Dojo-Lehrerin seines Vertrauens, sondern auch die Liebe gefunden.

Der Hauptgrund, warum es dich nach Japan gezogen hat, war eigentlich der Sport, oder?
Genau, ich wollte dort ein Jahr lang intensiver Aikido machen wollte.

Und um das zu finanzieren, hast du dich für Work and Travel entschieden?
Ja, ich brauchte ja erst einmal eine Möglichkeit, um ein ganzes Jahr zu bleiben. Work and Travel lag nahe, weil das Visum einfach zu bekommen und kostenlos war. Es war eine einmalige Chance für mich, dies nach der Schule und meinem FSJ zu machen. Während des FSJ habe ich Geld für die Reise angespart. Japan hat mich sowieso gereizt, ich fand die Sprache und die Kultur einfach toll. Zudem wollte ich gerne einfach von zuhause rauskommen, weil ich das vorher noch nie gemacht habe. Das war das erste Mal, das ich eine Reise geplant und finanziert hatte, die so einen Umfang hatte.

Was war das für ein FSJ?
Ich habe ein FSJ im Kinder- und Jugendbereich gemacht, ich habe in der Ganztagsbetreuung einer Grundschule gearbeitet. Da ich zuhause bei meinen Eltern gewohnt habe, konnte ich das Geld, das ich dort verdient habe, komplett für meine Japanreise sparen.

Haben dir deine Erfahrungen, die du im FSJ gesammelt hast, auch in Japan geholfen, weil da ja später dort

Englischunterricht im Kindergarten

auch Kinder unterrichtet hast?
Ja, denn die einzige Möglichkeit für Ausländer, in Japan Arbeit zu finden, ist Sprachen, hauptsächlich Englisch, zu unterrichten. Die Japaner wollen viel Englisch lernen, da das eine ihrer Schwächen ist. Wenn man Glück hat, kann man auch Deutsch unterrichten. Ich habe immer gern mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Die meisten Schüler waren Kinder, da ich in Japan im Kindergarten als Englischlehrer gearbeitet habe. Ich hatte das Glück, dass in Kyoto, wo ich gelebt habe, eine deutsche Gruppe existiert hat, die ihre Kinder zweisprachig erziehen wollten. Meistens waren das japanische Kinder, deren Familien einige Zeit in Deutschland gelebt haben, oder deutsche Kinder, die nun in Japan leben. So konnte ich hauptsächlich als Sprachlehrer arbeiten und zusätzlich etwas Geld verdienen.

Wie bist du an diese Jobs gekommen?
Wenn man kein Englisch-Muttersprachlehrer ist wird man erstmal gar nicht beachtet. Wenn man private Schüler sucht, ist man meistens nicht die erste Wahl, wenn man kein „native speaker“ ist. Viele Jobs habe ich über Kontakte bekommen. Ich hatte Freunde, die vorher den Job gemacht haben und diesen abgegeben haben. Zudem gibt es in fast jeder größeren Stadt ein „National Community House“, da gibt es ein relativ umfangreiches schwarzes Brett.

Wurdest du für deine Jobs noch geschult oder musstest du noch einen Test ablegen?
Nein, wenn du privat unterrichtest, schult dich niemand, in Sprachschulen ist das sicher anders. Bei mir war das im kleinen Rahmen, da habe ich eine Probestunde gemacht, bei der der Chef zugeschaut hat. Ich wurde auch nie nach Zeugnissen oder Englischkenntnissen gefragt.

Kyoto

Aber du hast dich fit genug gefühlt, das zu machen?
Ja, ich war ganz gut in der Schule, hatte Englisch aber nur bis zum Abi, hatte aber in Japan vorher schon viele englische Freunde, mit denen ich viel gesprochen habe. Da hat sich mein Englisch sehr verbessert. Da die Japaner große Probleme mit Englisch haben, reichte es.

Wie gut war dein Japanisch vorher und wie gut ist es jetzt?
Vorher habe ich ein bisschen versucht, die Sprache zu lernen. Ich habe zwei VHS-Kurse besucht, die die Basics vermittelt haben. Da das relativ früh vor der Reise war, habe ich relativ viel vergessen. Ich bin also mit einem Minimalwortschatz nach Japan gekommen und habe gehofft, dass ich auch mit Englisch klarkomme. Leider wurde ich enttäuscht, es ist schwierig mit Englisch dort. Ich würde empfehlen, dass man sich mindestens ein bisschen mit der Sprache beschäftigt. Während ich in Japan war, habe ich günstige Sprachkurse in dem National Community House besucht. Mein Hauptziel war es aber ja nicht, Japanisch zu lernen, sondern dort zu trainieren, aber mittlerweile kann ich die Sprache ganz gut verstehen, aber Reden fällt mir noch schwer. Ich lerne aber immer noch Japanisch, da ich ja immer noch ein Bezug zu dem Land habe.

Du hast dich ja dort auch in eine Japanerin verliebt. Wie kommuniziert ihr?
Meine Freundin ist ein wenig speziell, da sie sehr gut Englisch spricht. Sie hat vier Jahre lang in Neuseeland als Austauschschülerin gelebt. Das hat Vor- und Nachteile, wenn beide nicht in ihrer Muttersprache kommunizieren. Da gibt es manchmal Kommunikationsprobleme. Ich habe dann versucht, ihr Deutsch beizubringen und sie mir Japanisch.

Und deshalb reist du auch regelmäßig wieder ins das Land, auch nach deinem Work-and-Travel-Aufenthalt?
Genau, ich war im Februar noch für vier Wochen da, diesmal eher als Urlauber, zum einen um meine Freundin zu sehen, die Neujahr auch in Deutschland war, zum anderen um wieder zu trainieren und andere Freunde zu treffen. Ich habe eine enge Bindung zu dem Dojo (Trainingsort) und meiner Dojo-Lehrerin aufgebaut. Deswegen versuche ich einmal im Jahr zurückzukommen.

Kannst du dir denn vorstellen, dort langfristig zu leben?

Tokio

Vor einem Jahr fand ich die Idee ganz toll, das hat mit der Zeit aber abgenommen, da ich viele Menschen getroffen habe, die schon länger dort leben und mit japanischen Männern oder Frauen verheiratet sind. Da bekommt man ein gemischtes Bild vermittelt. Es ist wirklich scher, als Ausländer in die japanische Gemeinschaft rein zu finden. Man wird oft anders behandelt, auch wenn man Japanisch spricht. Man hat dieses Gefühl, nicht dazu zu gehören. Hinzu kommt unsere soziale Absicherung mit Renten und Krankenversicherung, die es so in Japan nicht gibt. Mir ist das dort zu unsicher. Ich mag dieses Land, es hat aber immer diesen Nachgeschmack, dass du nie Teil dieser Gesellschaft werden kannst.

Und was hält deine Freundin davon, in Deutschland zu leben?
Meine Freundin ist relativ aufgeschlossen. Sie wollte auch, bevor wir uns kennen gelernt haben, in Europa leben. Sie ist mit dem Bildungssystem in Japan nicht so zufrieden und würde gerne ihre Kinder, wenn sie mal welche hat, in Europa großziehen.

Du bist ja ursprünglich wegen des Sports nach Japan gekommen, du wolltest dort noch intensiver Aikido trainieren, obwohl du diese Sportart erst seit vier Jahren ausgeübt hast. Wie kam es dazu?
Ich habe 2008 damit angefangen und wollte immer mehr trainieren. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass mir das hier nicht mehr reicht. Ich wollte einen besseren Lehrer haben, mit dem ich mich mehr identifizieren kann. Ich habe das Dojo vorher im Internet rausgesucht, dann habe ich dort mindestens einmal täglich, teilweise zweimal trainiert. Nach kurzer Zeit durfte ich auch schon im Kindertraining mithelfen und bin Teil des Dojo geworden. Das ist normalerweise nicht üblich. Das Training hat mir sehr viel gebracht, ich habe große Fortschritte gemacht. In Deutschland hätte ich diese Stufe nicht überspringen können. Ich konnte in Japan auch die Schwarze-Gürtel-Prüfung ablegen, das war auch toll.

Osaka

Bringt dich das auch hier weiter?
Ja, normalerweise müssen alle Prüfungen hier von Japan aus anerkannt werden, dieser Schritt bleibt mir erspart. Und das war ja auch erst der erste Schritt. Im Schwarzen-Gürtel-Bereich gibt es vier Prüfungen. Ich habe auch hier angefangen, ein Dojo zu starten. Wir machen Projekte an Schulen im Kindertrainingsbereich. Ich versuche da auch mir ein berufliches Standbein aufzubauen, hauptberuflich wird das zwar nicht klappen, aber nebenbei schon. Zurzeit studiere ich Erziehungswissenschaften. In Zukunft würde ich das gerne verbinden.

Also würdest du alles wieder so machen?
Auf jeden Fall, auch die Planung ist eine Sache, die man selbst machen sollte. Egal, wie schwierig sie ist, man wächst dabei. Es war einfach eine gute Zeit.

Ihr wollt Martins Aikido-Karriere weiter verfolgen? Werft einfach einen Blick auf seinen Blog: http://aikido-japan.blogspot.de/

Interview: Simone Zettier


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