Work & Travel in Australien: Hanna im Interview

Hanna T., 26 Jahre alt und gelernte Friseurin, ist seit September alleine auf dem fünften Kontinent als Work and Travellerin unterwegs. Vor Ort hat sie ihr Working-Holiday-Visum erfolgreich verlängert. Und seitdem hat sich ihre Reise stark in eine neue Richtung gelenkt. In einem Interview erzählt sie uns von ihrer Zeit in Australien.

w&t/magazin: Warum unternimmst du gerade jetzt diese Reise in Australien?
Hanna: Im vergangenen Sommer habe ich meine Ausbildung zur Friseurin abgeschlossen und bevor die lange Zeit meiner Fortbildung zur Meisterin beginnen sollte und ich mich irgendwann fest im Beruf befinde und Kinder habe, wollte ich die lang ersehnte Reise antreten. Der Zeitpunkt war perfekt und ich hatte genügend Geld gespart. Daher dachte ich: Jetzt oder nie!

w&t/magazin: Hast du dir deinen Aufenthalt als Work and Travellerin selbst organisiert oder bist du mit einer Organisation unterwegs?
Hanna: Ich habe alles selbst organisiert.

w&t/magazin: Wie lange im Vorfeld hast du dich darauf vorbereitet? Und war es so ausreichend?
Hanna: (lacht) Genau genommen kam mein erster Gedanke schon vor zehn Jahren als ich noch junge 16 Jahre alt war. Daher habe ich mich in dem Alter auch schon in die Thematik „Work and Travel“ und „Australien“ reingelesen und tatsächlich schon angefangen, das Geld zu sparen. Mit der konkreten Planung habe ich aber circa acht Monate vorher begonnen. Im Prinzip war das sogar mehr als ausreichend, da ich mein Visum nach zwei Wochen schon in der Tasche hatte und der Rest lief ja bequem über das Internet, sprich, Auslandsreisekrankenversicherung, Flug, etc. Das war innerhalb weniger Tage erledigt.

w&t/magazin: Du sagst, du hast schon mit 16 Jahren angefangen zu sparen. Wie viel Geld hast du als Startkapital aufbringen können? Und war es für dich adäquat?
Hanna: Ich flog mit 5.500,- € ins Land und dachte, es wäre erst mal ausreichend. Das Geld war aber sehr schnell weg! (lacht)

w&t/magazin: Wie genau hast du dich vorbereitet?
Hanna: Wie bereits erwähnt muss man sich um das Visum, den Flug, Versicherung und so weiter kümmern. Daneben habe ich aber noch viele Reiseberichte gelesen, die u.a. unwahrheitsgemäß berichteten, Australien sei nicht teurer als Deutschland! Außerdem habe ich auch schon vorab ein Hostel für die ersten zwei Tage gebucht, das kann ich auch nur weiterempfehlen. Man ist viel zu müde, nach dem langen Flug noch ein Hostel zu suchen.

w&t/magazin: Warum hast du dich für dieses Land entschieden?
Hanna: Wegen eines jungen Mannes, in den ich mich in der Schulzeit verliebte! Ich erwähnte bereits, dass ich schon mit 16 Jahren ins Auge fasste, nach Australien zu gehen. Das war wegen eines Austauschschülers, Robby, der aus Australien kam und in meiner Klasse war. Ich war unsterblich in ihn verliebt und wollte ihn eines Tages besuchen!
Zehn Jahre später war ich dann zwar nicht mehr in ihn verliebt, der Traum war aber trotzdem noch da. Letztlich entschied ich aber auch über ein Auswahlverfahren. Ich wollte unbedingt mein Englisch verbessern. Nach London kann ich immer mal fahren, Kanada ist mir zu kalt, Neuseeland zu klein und ich bin überhaupt kein USA-Fan. Somit blieb noch Australien.

w&t/magazin: Hast du Robby denn besucht?
Hanna: Ja, das habe ich. Zusammen mit meinem Freund, den ich hier kennen gelernt habe. Robby wohnt jetzt in dem Kaff, Dubbo, mit seiner Frau und zwei Kindern. Der Besuch war total schön und nett!

w&t/magazin: Gab es für dich ein grobes Reisekonzept? Also einen zeitlichen Rahmen, wie lange du dort bleiben willst oder konkrete Reiseziele beispielsweise?
Hanna: Laut ursprünglichem Plan wollte ich ein Jahr bleiben und einmal den Kontinent umrunden. Das hat aber alles hinten und vorne nicht geklappt. Ich brauchte alleine für das zweite Visum einen Nachweis über drei Monate Farmarbeit, weshalb ich innerhalb dieser Monate schon mal nicht reisen konnte. Und ansonsten war das Geld zu schnell weg, so dass ich wieder arbeiten – statt reisen – musste. Auch musste ich meinen Plan, den Uluru zu besichtigen, umwerfen, da eine Tour dorthin viel teurer als erwartet war. Das soll für drei Tage 800 Dollar kosten! Wucher. Es gab also ein grobes Konzept, ja, aber erstens kommt es immer anders und zweitens als man denkt.

w&t/magazin: Was hat dich letztlich dazu bewegt, noch ein zweites Jahr zu bleiben?
Hanna: Ich hatte ein paar Monate vor Ablauf des Visums das Gefühl, ich kann noch nicht nach Hause fahren. Es fehlte noch etwas, ich hatte noch nicht alles erlebt. So war ich bis heute noch nicht in Darwin und Perth beispielsweise, dafür aber schon über zwei Monate in Cairns. In den zwei Monaten habe ich als Friseurin gearbeitet. Und als dann für mich feststand, dass ich mich für ein zweites Visum bewerbe, suchte ich Arbeit auf einer Farm. Die musste ich wochenlang suchen, bis ich dann erneut Arbeit in der Nähe von Cairns fand. Somit hielt ich mich alleine fast ein halbes Jahr in und um Cairns auf, weshalb viele Ort noch unbereist blieben.

w&t/magazin: Jahr eins und Jahr zwei; hat sich etwas verändert?
Hanna: Ja und zwar grundlegend. Im ersten Jahr war ich standardmäßig in Hostels untergebracht und reiste ein wenig durch’s Land. Im zweiten Jahr bezog ich quasi einen festen Wohnsitz. Ich wohne derzeit mit meinem Freund in Sydney in einer Mietwohnung und habe einen Job. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich nicht noch weiter reisen werde!

w&t/magazin: Auf was muss man sich einstellen, wenn man in dieses Land reist?
Hanna: Es ist teuer. Es ist richtig teuer! (lacht) Wenn du keinen Job hast, ist das Geld sehr schnell weg. Das ist meiner Meinung nach ein großes Problem hier in Australien. Die Lebensunterhaltungskosten sind so viel höher als in Deutschland.

w&t/magazin: Wie hast du hauptsächlich während deines Work and Travel Abenteuers gewohnt?
Hanna: Im ersten Jahr übernachtete ich in erster Linie in Hostels. Da man hierfür aber auch schon Minimum 24,- AUD pro Nacht aufbringen muss, probierte ich auch das sog. Couch Surfing. Das ist super! Im zweiten Jahr bezog ich dann später wie gesagt die Mitwohnung mit meinem Freund. Sehr gegensätzlich also.

w&t/magazin: Würdest du sagen, Work and Travel in Australien ist für jeden etwas? Oder was sollte man für ein Typ sein, um Spaß daran zu haben? Oder wird man vielleicht auch erst zu so einem Typ?
Hanna: Man muss schon ein bisschen abenteuerlustig sein. Klar kann man auch als Au-Pair herkommen und eine entspannte Zeit erleben, aber als Backpacker sollte man schon das „derbere Leben“ mögen. Als ich einmal keinen Job fand und kein Geld mehr hatte, musste ich auch kurz auf der Straße leben. In der Zeit habe ich mich heimlich vom „Free Food Shelf“ aus einem Hostel ernährt und nachts, bevor ich auf der Straße schlief, habe ich zur Sicherheit meinen Rucksack in ein Schließfach in selbigem Hostel gesperrt – ebenfalls ungefragt. Irgendwann habe ich mir Geld von meiner Schwester leihen müssen, bis es wieder bergauf ging. Ich glaube, das könnte nicht jeder ohne weiteres verkraften.

w&t/magazin: Würdest du dich jetzt wieder genauso entscheiden? Was würdest du ggf. anders machen?
Hanna: Man kann einen solchen Aufenthalt eh nicht planen – oder ich kann es zumindest nicht –, daher würde ich es wieder so machen, ja.

w&t/magazin: Was war bisher die beste / schlimmste Erfahrung, die du gemacht hast?
Hanna: Meine schlimmste Erfahrung war, als meine Oma verstarb.  Meine Mutter hatte mich während meiner Mittagspause angerufen und gesagt, Oma sei tot. Ich war total hin- und hergerissen zwischen meiner Reise und meinem zu Hause. Da wollte ich nur zurück. Ich habe hier festgestellt, dass die Familie und emotionale Anliegen mit der Familie oder Freunden – genauso wie zu Hause – viel schlimmer sind, als Geldprobleme oder ähnliches. Als mein Freund mich hier besucht und am Ende Schluss gemacht hat, war das ebenso schrecklich.  Oft vermisse ich meine Freunde und Familie einfach so sehr, dass ich diese Tatsache als schlimmste Erfahrung sehe.
Und meine beste Erfahrung? Das kann ich nur schwer in Worte fassen, weil es hier so viele schöne Momente gibt. Es sind aber in jedem Falle nicht die schönen Strände oder derartiges, sondern die Leute, die ich hier treffe.

w&t/magazin: Welches war die lustigste Vokabel, die du unterwegs gelernt hast?
Hanna: Der ganze australische Akzent ist eigentlich ziemlich witzig. Aber am besten ist eigentlich der umgangssprachliche Begriff „bloke“. Die Australier sagen oft ironisch: „Have you seen that bloke?“, was so viel heißt wie: Haste den Typen da hinten gesehen?

w&t/magazin: Wie unterscheidet sich das (Arbeits-) Leben von dem hierzulande?
Hanna: Abgesehen von dem einen Mal, wo ich wirklich keinen Job fand, ist es generell sehr viel einfacher, einen Job in Australien zu finden. Was aber die Arbeitsstrukturen anbelangt, muss ich sagen, dass alles viel zu unorganisiert ist. Das ist echt anstrengend manchmal! Keiner weiß, wer wann da ist. Manchmal stand ich früh auf, fuhr zur Arbeit und meine Kollegen sagten, ich müsse heute nicht arbeiten, ob mir denn keiner Bescheid gesagt habe, da die Schichten geändert wurden. Es geschah aber auch schon andersherum, dass ich morgens an einem freien Tag angerufen wurde, wo ich denn bleiben würde. Das ist wirklich sehr anstrengend, wenn heute Hü und morgen Hott ist. Man kann sich einfach auf nichts einstellen.
Wenn außerdem mal nichts zu tun war, sollte ich auch nicht arbeiten und bekam somit natürlich auch kein Geld. Meine Miete muss dennoch gezahlt werden.
Als letztes – und das ist eigentlich das schlimmste – sei die Videoüberwachung zu erwähnen. Ich hasse es wie die Pest, dass man überall videoüberwacht wird! Ich bin sogar schon von meinem nicht anwesenden Chef angerufen worden, ich solle doch jetzt bitte erst etwas anderes machen…! Ich finde diese permanente Überwachung scheußlich.

w&t/magazin: Welcher Job hat dir vor Ort am besten gefallen?  Und wieso?
Hanna: Aufgrund meiner Lehre hat mir natürlich ein Friseurjob am besten gefallen, und zwar der in Melbourne. Meine Chefin dort war nur ein Jahr älter als ich und wir haben oft zusammen gegessen und Kaffee getrunken. Es war immer total nett. Leider war ich nicht so lange da. Aber mein Job auf der Basilikumfarm in der Nähe von Cairns, den ich für das zweite Visum antrat, war auch total positiv! Die Farm befindet sich in der Pampa von Queensland, genau genommen in Mareeba. Der Farmer wohnt hier mit seiner Familie, weshalb auch alles sehr persönlich war. Wir Backpacker hatten unser eigenes Auto um nach Cairns zu fahren und erhielten 17,- AUD pro Stunde, was nicht wenig ist. Und die Arbeit war nicht mal im Ansatz so anstrengend wie auf der Tomatenfarm. Die Basilikumfarm hieß: Battistin Orchards. Sehr zu empfehlen!

w&t/magazin: Welcher Job hat sich finanziell am meisten gelohnt? Und welcher überhaupt nicht?
Hanna: Als ich die zwei Monate in Sydney bei einem chinesischen Friseur arbeitete, erhielt ich sage und schreibe 1.000 AUD pro Woche cash auf die Hand. Finanziell hat sich dieser Job auf jeden Fall gelohnt, der Preis für das Geld war allerdings hoch: Ich wurde den ganzen Tag von den Chinesen angeschrien und untereinander unterhielten sie sich auch nur auf Chinesisch.
Beim Tomatenpflücken waren die Zustände und gleichzeitig die Bezahlung am schlimmsten. Für mikrige drei AUD pro Bucket, den ich in einer Stunde erst voll bekam, ließ ich mich anbrüllen, musste bei kalten Außentemperaturen unter kaltem Wasser duschen, weil wir angeblich zu teuer waren und lebte mit Ratten in einem Zimmer. Außerdem war der Farmer ein Spanner. Es war grausam, weshalb ich auch nur zwei Wochen durchhielt.

w&t/magazin: Was hast du denn im Durchschnitt verdient?
Hanna: Als Friseurin, was ich hauptsächlich ausübte, 600,- Dollar pro Woche.

w&t/magazin: Welche allgemeinen Tipps würdest du anderen geben, die Ähnliches vorhaben?
Hanna: Das ist wirklich schwierig zu sagen, weil es eine solche Reise super individuell ist. Man sollte aber auf keinen Fall mit einem kleinen Budget anreisen. 1.000 € Startkapital wäre zum Beispiel ziemlich dämlich, denn es wäre schneller weg, als man gucken kann. Außerdem sollte man nicht unterschätzen, wie riesig Australien ist. Ich habe das sehr unterschätzt. Als ich mit dem Überlandbus von Brisbane nach Melbourne gefahren bin und zwölf Stunden im Bus saß, merkte ich erst, wie riesig es ist!

w&t/magazin: Wie bist du hauptsächlich gereist?
Hanna: Ich war zum Großteil alleine unterwegs. Habe zwar immer wieder Leute vor allem in Hostels kennengelernt, mit denen ich dann auch viel unternahm, setzte meine Reise aber meistenteils alleine fort. In Bezug auf Mobilität nutzte ich manchmal die Überlandbusse, selten bin ich geflogen.

w&t/magazin: Würdest du anderen empfehlen, alleine oder in einer Gruppe zu reisen?
Hanna: Dies ist natürlich stark von der reisenden Person abhängig. Ich empfehle aber, alleine zu reisen, da man zum einen freier ist und zum anderen eher gezwungen wird, selbstständig zu werden. Ich persönlich bin froh, dass ich es alleine gemacht habe, da ich so an ganz andere Grenzen gestoßen bin. Außerdem würde es mich nerven, wenn einer aus der Gruppe nach Norden und ein anderer nach Süden möchte, während ich am liebsten den Westen erkunden will.

w&t/magazin: Was sollte man unbedingt im Reisegepäck haben und was ist absolut überflüssig?
Hanna: Ich habe schon am fünften Tag ungefähr die Hälfte meines Gepäcks weggeschmissen. Als ich nur das Hostel wechseln wollte und das alles schleppen musste, hielt ich an, griff in den Rucksack und schmiss die Hälfte meiner Kleidung weg. Der Rucksack war einfach zu schwer und man kann Kleidung überall waschen, weshalb zu viel unnötig ist. Was man meiner Meinung nach aber unbedingt braucht, ist: Sonnencreme, -brille und ein Hut. Das ist lebensnotwendig! (lacht) Als ich in Sydney ankam, cremte ich mich natürlich gleich ein. Nur die Füße vergaß ich, die am Ende des Tages gleich feuerrot waren.

w&t/magazin: Nun dein pesönliches Fazit: Was nimmst du von deiner Reise für die Zukunft mit? Meinst du, sie hat dich verändert?
Hanna: Vom Luxushotel bis zum Kabuff mit Ratten habe ich hier alles erlebt (lacht). Daher bin ich in mir selbst viel ruhiger, gelassener und selbstbewusster geworden. In Australien ist es nicht wichtig, ob du Millionär oder Tellerwäscher bist, alle werden hier gleich behandelt. Das tut gut. Aber meine größte Erkenntnis aus dieser Reise ist, dass hier als Backpacker in Australien nichts anders als zu Hause ist; man isst, man arbeitet, man unternimmt was mit Freunden. Deswegen sind familiäre Dinge immer noch am wichtigsten, alles andere wird auch irgendwann zum Alltag.

w&t/magazin: Und als letztes ein Fazit für alle Interessierten: Glaubst, jeder sollte eine solche Reise für die persönliche Entwicklung einmal unternommen haben?
Hanna: Ja, wenn du die Zeit und das Geld hast, auf jeden Fall. Wenn du kein Geld und Zeit hast, nimm sie dir! Schadet keinem.


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