Interview: 9 Monate als digitaler Nomade

Jana ist seit 9 Monaten als digitaler Nomade unterwegs und hat auf ihrer Reise bereits Teneriffa, Südafrika, Namibia und Mauritius kennengelernt. Wir haben sie für ein erstes Fazit interviewt und dabei erfahren, ob die Monate ihren Vorstellungen entsprachen, wie das digitale Nomadentum sie verändert hat und welche Herausforderungen der Lifestyle mit sich bringt.

Digitale Nomadin Jana berichtet im Interview von ihren Erfahrungen

w&t/magazin: Mittlerweile bist du schon seit 9 Monaten in der Welt unterwegs. Ist das Leben als digitaler Nomade bisher so, wie du es dir vorgestellt hattest?

Jana: Ich glaube, dass es nicht wirklich so ist, wie ich es mir vorher vorgestellt hatte. Für mich war es ein großes Abenteuer, das mich vor allem vor einem Nine to Five Bürojob bewahren und mir gleichzeitig die Gelegenheit geben sollte, verschiedene Länder und Kulturen kennenzulernen. Das hat sich auch so bewahrheitet, aber wie viel mehr das Leben als digitaler Nomade letztlich sein würde, hätte ich mir nie vorstellen können. Ich habe in der Zeit so viel gelernt und habe mich selbst so sehr weiterentwickelt – das hätte ich vorher nicht gedacht. Auch als Paar ist es, als würden wir in einer Art Zeitraffer leben, weil wir in der Zeit bereits so viel gemeinsam erlebt und bewältigt haben. Das schweißt natürlich enorm zusammen. Außerdem stellen sich ganz andere Herausforderungen, als ich es mir vorgestellt hätte und wir sind noch immer dabei, über dieses neue Leben zu lernen und uns darin einzurichten.

w&t/magazin: Welche Herausforderungen sind es denn, die sich euch in der bisherigen Zeit gestellt haben?

Jana: Es gibt einfach grundsätzlich sehr viel, das man für sich klären muss. Das beginnt schon damit, wie man die Balance zwischen Arbeit und Freizeit regeln will. Wann fängt man an zu arbeiten, wann hört man auf? An wie vielen Wochentagen arbeitet man überhaupt? Macht man die Freizeit vom Wetter abhängig oder nutzt man doch feste Wochentage, damit man dann auch wirklich loszieht? In unserem Monat in Noordhoek hatten wir zum Beispiel das Problem, dass wir beide so in unsere Arbeit vertieft waren, dass wir überhaupt nicht raus kamen – da mussten wir uns regelrecht zwingen, endlich mal einen halben Tag Pause zu machen. Das hätte ich vorher nie erwartet. Und dann kommen natürlich noch ganz unerwartete Dinge auf einen zu wie beispielsweise die Einsicht, dass man in Südafrika seit einigen Jahren kein zweites 90-Tage Visum mehr bekommt, wenn man in der Zwischenzeit nicht in seinem Heimatland gewesen ist. Schön blöd, wenn man geplant hat, mithilfe dieses Visums sein südafrikanisches Auto wieder zu verkaufen und den Verkauf dann innerhalb von 7 Tagen regeln muss (und dann an der Grenze doch ein 90-Tage Visum ausgestellt bekommt und sich über all die Sorgen ärgert :-D)!

w&t/magazin: Was ist es, was dir am Leben als digitaler Nomade besonders gefällt?

Jana: Letztlich sind es vor allem auch diese Herausforderungen, die mir an dieser Art zu leben gefallen. Man kann jeden Tag etwas Neues ausprobieren und muss sich immer wieder in einer völlig neuen Umgebung einfinden. Da wird sogar der Einkauf im Supermarkt zu einem Erlebnis. Und die größten Herausforderungen sind es im Nachhinein auch, durch die man am meisten über sich hinauswächst und sich persönlich weiterentwickelt. Während für mich vor 9 Monaten schon ein Anruf bei meiner Versicherung aufregend war, wähle ich mittlerweile ohne zu zögern eine südafrikanische Nummer, wo ich an der anderen Leitung erst mal auf Afrikaans angesprochen werde und die Stimme danach in einen extremen Akzent verfällt – aber das kriegt man halt auch alles irgendwie hin. Dieses neue Selbstvertrauen hätte ich ohne unsere Reise niemals entwickelt.

Digitale Nomadin Jana hat Namibia besonders intensiv bereist

Daneben ist es aber natürlich vor allem das Kennenlernen all der Länder und Kulturen, was mir am meisten gefällt. Nicht nur, weil ich es unheimlich spannend finde, Neues zu erkunden und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Kulturen zu entdecken, sondern auch weil sich mit jedem Monat, jeder Begegnung und jeder neuen Erfahrung mein Weltbild ein kleines bisschen weiterentwickelt und meine Einstellung zum Leben ein kleines bisschen komplexer wird.

w&t/magazin: Inwiefern hat die Reise bisher dein Weltbild verändert? Fällt dir da ein Beispiel ein?

Jana: Vielleicht ist das ein banales Beispiel, aber da fällt mir als erstes ein Gespräch in Kapstadt ein, das wir mit einer einheimischen Bekannten geführt haben. An den Stränden von Noordhoek und Melkbosstrand sind uns diese riesigen Algen aufgefallen, die überall herumlagen und einen bestialischen Gestank verströmten. Wir konnten nicht nachvollziehen, wieso die niemand wegräumt, wo es die Einwohner doch sehr stören muss. Unsere Bekannte hat uns dann erklärt, dass die Algen extra liegengelassen werden um das Ökosystem nicht zu stören; die Algen locken schließlich Fliegen an, die wiederum Nahrung für viele Vögel sind. Das hat mich ordentlich wachgerüttelt und ich war wirklich betroffen, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Ganz grundsätzlich leben viele Menschen in Südafrika und Namibia sehr naturverbunden und außerdem mit einer extrem positiven Einstellung zum Leben. 6 Monate mal in solch einem Umfeld zu leben, würde wohl jedem guttun. Momentan auf Mauritius ist es wiederum der Hinduismus, der mir bislang fremd war und über den ich auf der Insel sehr viel lerne. Dieses ständige Lernen und sich selbst Weiterentwickeln finde ich einfach großartig am Reisen.

Neue Eindrücke für digitale Nomadin Jana auf Mauritius

w&t/magazin: Gibt es auch etwas, das du nicht so toll findest am Leben als digitaler Nomade?

Jana: Die Distanz zu Familie und Freunden ist etwas, was mitunter schwierig sein kann. Da gibt es schon Momente, wo man sich nach ganz einfachen Dingen sehnt wie ein gemeinsamer Kochabend, eine Shoppingtour oder ein Spaziergang am heimatlichen Meer. Skype und WhatsApp erleichtern da sehr viel, aber manches kann man einfach nicht durch geschriebene Nachrichten oder mit Telefonaten ersetzen. Vor allem wenn man viel arbeitet und von dem schönen Land gar nichts mitkriegt, in dem man gerade ist, nagt manchmal die Frage an einem, wieso man da nicht gleich im heimatlichen Büro geblieben ist. Aber das sind eigentlich nur seltene Momente, die man dann mit der Vorfreude auf die umso schönere, gemeinsame Zeit am Jahresende gut überwinden kann. Ansonsten fällt mir aber nichts ein, was mir nicht gefällt. Sogar die Sorge, dass das Leben als digitaler Nomade eventuell zu teuer für uns ist, hat sich nicht bewahrheitet – in Deutschland zu wohnen wäre für uns nicht billiger.

w&t/magazin: Wie geht es für euch jetzt weiter?

Jana: Da ich mittlerweile gelernt habe, dass letztlich sowieso alles anders kommt als geplant, kann ich das gar nicht richtig beantworten. Momentan sind wir wirklich begeistert vom Leben als digitale Nomaden und wollen das möglichst lange machen. Mittlerweile hat sich bei uns die Aussage eingebürgert, dass wir ein Jahr pro Kontinent machen wollen – ob wir das am Ende auch so umsetzen, wird sich wohl erst zeigen. Nach 2 Monaten auf Mauritius steht auf jeden Fall als nächstes Marokko an. Im neuen Jahr soll dann nach dem Afrika-Jahr erst einmal Europa folgen, worauf nicht nur wir uns freuen, sondern auch unsere Familie und Freunde. Wie genau das Jahr aussehen soll, wissen wir aber noch nicht.

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