Erfahrungsbericht aus Chile

Yvonne´s Auslandsaufenthalt in Chile

Nichts wie weg hier…

Während ich in meiner oft sehr langweiligen Ausbildung saß, hatte ich nur noch einen Gedanken: Ich will weg hier! Da habe ich beschlossen, dass ich nach dem Ende der Ausbildung nach Südamerika fliege und dort erst mal etwas ganz anderes machen möchte. So begann es, dass ich nach Möglichkeiten suchte, wie ich in Lateinamerika nicht nur arbeiten kann, sondern am besten mindestens die Unterkunft dafür umsonst bekomme. Außerdem hatte ich beschlossen, dass ich nach der Reise studieren werde. Ich wollte Freiheit!

Wohin soll ich bloß fliegen?

Lateinamerika ist nicht gerade klein, Spanisch wollte ich haben, kein Englisch oder Portugiesisch. Außerdem traute ich mir nicht zu, diese Reise ohne eine Organisation zu unternehmen. Am Ende blieb genau ein einziges Land übrig, das ich mir überhaupt leisten konnte und das war nun mal Chile. Freiwilligenarbeit war mir zu teuer und Working-Holiday-Programme habe ich damals in keinem anderen Land gefunden.

Kannibalen in Chile?

Meine Entscheidung war also erst mal absolut pragmatisch – ich ging nach Chile, weil ich eben nur diese eine Option hatte! Aber dann begann ich, mir Reiseführer auszuleihen und habe über dieses einzigartige Land gelesen – dann war meine Wahl plötzlich absolut keine Notlösung mehr, sondern eher ein Traum. Ich wusste nur vorher nicht, dass ich diesen Traum habe. Sehr lustig waren auch die Reaktionen von meiner Arbeit: Die meisten wussten weder wo Chile liegt, noch welche Sprache man da spricht und dachten überhaupt, dass dort nur wilde Kannibalen leben…

Auf geht’s an das Ende  der Welt!

In den letzten Wochen vor der Reise musste ich auch für meine Abschlussprüfungen lernen aber das ging viel leichter, weil ich genau wusste, dass ich danach endlich weg bin! Ich hatte für die ersten vier Wochen einen Sprachkurs mit Unterkunft in Santiago de Chile gebucht. Danach sollte es dann runter in den Süden gehen, in eine kleine Stadt namens Puerto Varas, die an einem großen See liegt– denn dort war mein Working-HolidayProgramm. Natürlich durften auch zwei Wochen reisen ganz am Ende nicht fehlen. Ein Visum hatte ich nicht – das ist doch viel zu viel Aufwand, wurde mir gesagt. Ich soll doch einfach einmal rüber nach Argentinien hüpfen und dann wäre alles in Ordnung. Soviel zur gelasseneren Denkweise…

Der lange Weg bis zum Ziel…

Als ich von meinen Eltern und Freunden zum Flughafen gebracht wurde, begann ich mich so richtig zu freuen – in Deutschland lag an diesem Morgen Schnee. Ich aber flog doch dem Sommer entgegen! Allerdings war es ein ganz schön langer Weg bis zu meinem Sommer…

Ein bisschen nervös…

Auf dem langen Flug bis nach Chile hatte ich auch alle Zeit der Welt, um richtig nervös zu werden. Alleine die zehn Stunden Wartezeit in Atlanta sorgten nicht unbedingt dafür, dass ich ruhiger wurde. Die Tatsache für sechs Monate in ein vollkommen unbekanntes Land zu fliegen, machte die Nervosität nicht unbedingt besser! Aber ich war auch gespannt, voller Vorfreude und konnte es kaum erwarten, anzukommen. Kein Wunder, ich war über dreißig Stunden unterwegs.

Chile: Ankunft im Sommer

Keine Ahnung wer oder was mich auf die Idee gebracht hatte, in ein Land zu fliegen und dort leben zu wollen, von dem ich die Sprache so gar nicht kann. Die Probleme begannen im ersten Moment: Mein Flug landete zu spät und damit war auch der bestellte Shuttle weg. Die Agentur wollte aber partout kein Englisch verstehen, es dauerte also wirklich lange bis wir zueinander fanden. Ich sollte die Zeit in der Sprachschule nicht in einer Gastfamilie, sondern in einer WG wohnen, leider konnte ich mich absolut nicht mit ihr verständigen und so konnte ich es auch nicht verhindern, dass sie mich zum Begrüßungsessen bei Kentucky Fried Chicken einlud und ich als Vegetarierin habe das Fleisch dann auch essen müssen…

Ansonsten alles gut

Aber das klingt jetzt so negativ und das war es ja absolut nicht. Bei meiner Ankunft zog ich bei über dreißig Grad im Schatten ganz schnell einige Schichten aus und sehnte mich schon nach einer kalten Dusche. Ich war total begeistert von Santiago: Hochhäuser wechseln sich mit vielen Palmen ab, es gibt schöne Parks und auch sonst wirkte es gar nicht wie eine lateinamerikanische Millionenstadt. Ich konnte bei meiner Ankunft nur hoffen, dass ich ganz schnell die Sprache lernen würde, um meiner Mitbewohnerin auch gut zu erklären, dass ich Vegetarierin bin…

Die beste Zeit in der Sprachschule

Mein erster Monat in Santiago war der absolute Wahnsinn und ich wollte nicht, dass er jemals endet. In der Sprachschule machte ich schnell Fortschritte und jeden Tag lernte ich viele Leute aus der ganzen Welt kennen. Die Leute waren genau wie die Lehrer total sympathisch und ich brauchte nicht lange, um Leute zu finden mit denen ich an den Wochenenden wegfahren konnte. Aber auch unter der Woche wurde es nie langweilig: Nach dem Grammatikpauken lernten wir Salsa, machten leckere Weinproben, stiegen auf Aussichtspunkte oder gingen nachts in die Bars des beliebten Viertels Bellavista.

Wochenendausflüge

An den Wochenenden fuhr ich nach Mendoza in Argentinien, an den Rand der Atacamawüste zu einem Ort namens La Serena und reiten in den Anden stand auch auf dem Programm. Außerdem hat meine Organisation ihren Sitz ganz in der Nähe der Sprachschule, was sich noch als gut erwies, denn ich schaffte es, mir in der ersten Woche eine Mandelentzündung zu holen und brauchte etwas Hilfe bei dem Arztbesuch.

Ich habe es zwar nie geschafft, mit dem Gas umzugehen, was einen Monat kalte Duschen und kaltes Essen bedeutete aber trotzdem war dieser erste Monat einer der besten überhaupt und ich war wirklich traurig, dass ich gehen musste…

Ankunft im Süden

Die lange Fahrt in den Süden machte ich in einem der superbequemen Pullman Bussen, und ich habe einfach die zwölf Stunden durchgeschlafen bis zu meiner Ankunft. Ich war sehr nervös aber auf der anderen Seite war die Landschaft einfach fantastisch: Schneebedeckte Vulkane und der riesige See glitzerte in der Sonne. Sehr ländlich sah alles aus und ich war sehr froh, dass ich dann sogar am Busterminal abgeholt wurde.

Das Hostal erwies sich als wirklich schön und nett waren die Leute auch, die darin arbeiteten. Den ersten Tag hatte ich noch frei, was ich dazu nutzte, bei dem immer noch tollen Wetter im See zu schwimmen aber dann bekam ich meinen Schichtplan und durfte direkt mit dem Arbeiten anfangen.

Meine Zeit im Süden Chiles

Anfangs war es noch sehr schön, ich mochte es sehr, mit den Leuten aus der ganzen Welt zu arbeiten und lernte viele interessante Menschen kennen. Allerdings hatte ich wohl das Pech, dass ich die ganzen blöden Arbeitszeiten erwischte und so kam es, dass ich sehr oft bis um Mitternacht arbeiten musste und nie die Möglichkeit hatte, mit anderen Leuten etwas außerhalb der Arbeit zu machen und wenn mich jemand dort während der Arbeitszeiten besuchte, war es auch nicht gut.

Keine schöne Erfahrung…

Nach einigen Wochen hatte ich wirklich genug, es war schön in diesem Dorf aber es war absolut nicht das, was ich mir erhofft hatte, die Arbeitszeiten konnte ich nicht tauschen und am Ende musste ich mein Essen sogar selber zahlen, obwohl ich dafür doch eigentlich arbeitete. Außerdem hatte ich in der schlecht isolierten und ungeheizten Dachkammer richtig Probleme mit meiner Gesundheit bekommen.
Ich war also nur noch krank und machte dann aus Frust etwas, was ich noch nie getan hatte: Ich gab auf, schrieb meiner Organisation und machte mich dann ein paar Tage später wieder nach Santiago auf, wo schon ein anderes Hostal auf mich wartete. Natürlich war es nicht fair den Leuten gegenüber aber ich fühlte mich damals sehr ausgenutzt und wollte einfach auch eine schöne Zeit in Chile haben!

Zeit für…Party, Reisen und nette Menschen

Ich bereute meine Entscheidung zu gehen keine Sekunde, und war sehr froh, dass es mit dem Wechsel kein Problem war. Meine neue Arbeit lag sehr zentral in Santiago, in einem wunderschönen Haus und die ganze Atmosphäre war viel entspannter! Ich teilte mir mein Zimmer mit drei anderen Praktikanten, es gab eine tolle Dachterrasse und wenn es auf der Arbeit absolut nichts zu tun gab, konnte ich immer Billard mit einem der Gäste oder der Angestellten spielen.
Es gab wilde, ausschweifende Partys, vor denen auch die Chefs nicht halt machten und die Arbeitszeiten waren absolut in Ordnung. Vor allem waren sie sehr fair: Es kam zu Beginn vor, dass ich Doppelschichten arbeitete und kaum frei hatte aber dafür hatte ich hinterher fünf Tage am Stück frei – die ich für einen tollen Besuch in Buenos Aires nutzte, der besten Stadt überhaupt.

Das Beste an meinem Wechsel der Arbeit? Oh da gab es viel: Ich liebe einfach Santiago de Chile aber es war auch wirklich toll, dass ich so am Ende vier Wochen Zeit zum Reisen hatte, anstatt den zwei geplanten Wochen…Das Schönste aber war, dass ich durch diesen Wechsel  Chile in toller Erinnerung habe, was bestimmt etwas anders gewesen wäre, wenn ich unten im Süden geblieben wäre!

Auf nach Peru!

Mein letzter Monat galt ganz dem Reisen und ich freute mich schon Wochen vorher riesig auf diese Zeit. Außerdem wollte meine Mutter die letzten beiden Wochen mitkommen, was mich die Reise noch mehr erwarten ließ.

Ich machte mich auf den Weg in den Norden, mitten in die Atacamawüste und wollte von da mit dem Bus nach Peru reisen. Auf dieser Reise habe ich so viel erlebt, dass Seiten hier nicht für die Erzählung reichen würden…

Ich war am berühmten Titicacasee, habe dort aber erfahren, dass ganze Kannen voll Coca Tee bei mir nicht gegen die Höhenkrankheit reichen…In der weißen Stadt Arequipa habe ich in Hängematten relaxt, bin zum Colca Canyon gefahren, der tiefsten Schlucht der Welt und habe dort sogar die seltenen Andenkondore gesehen. Ich war in der Wüste in einem Observatorium, habe mit meiner Mutter eine Tour in der Salzwüste gemacht und den Flamingos beim Fliegen zugesehen…
Aber das alles war gar nichts im Vergleich zum Inka Trail, den wir nach Macchu Picchu gelaufen sind – die härteste aber zugleich auch schönste Bergtour meines Lebens. Diese Ruinen sind nicht umsonst so beliebt, sie sind gigantisch!

Auf dem Heimweg…

Mit all diesen schönen Erinnerungen verbrachte ich noch zwei letzte Tage in Santiago, bevor ich dann allein wieder nach Deutschland flog. Als ich flog war ich traurig, denn ich habe die Zeit in Chile als unglaublich empfunden und als die Zeit, die mir persönlich am meisten überhaupt gebracht hat.

Seitdem bin ich nicht mehr von Lateinamerika losgekommen, mit diesem Working-Holiday-Aufenthalt in Chile hat wirklich alles begonnen. In den vier Jahren seit damals war ich jedes Jahr in Lateinamerika, wenn es auch immer Mittelamerika war – irgendwann will ich aber zurück und sehen was aus dem Hostal geworden ist, den Menschen und ob der Pisco Sour immer noch so gut schmeckt wie damals – und ob ich das Spanisch der Chilenen wohl heute verstehe!

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