Big with Japan

Interview mit Fotograf und Japan-Fan Fritz Schumann, über seine Work-and-Travel-Zeit in dem Land des Lächelns, seine mittlerweile drei Bücher über Japan und warum es den Berliner Studenten der Hoschschule Hannover im Sommer schon wieder dorthin verschlägt

Fritz Schumann Japan

Warum hast du gerade zu dem Zeitpunkt die Reise gemacht? Ich wollte immer schon mal nach Japan, schon seit meiner Jugend. Nach dem Abi war dann die beste Möglichkeit. Allerdings klopfte dann Vater Staat an die Tür und verlangte, dass ich Zivi mache. Ich hatte dann erst ein paar Sachen ausprobiert, von der Bewerbung für den Zivi in Japan, über ein FÖJ, bin dann aber 2008 in der Küche eines Kindergartens gelandet. Das war auch ganz gut, da ich das ganze Geld sparen konnte, um mir Japan zu finanzieren.

Ich war Ende Herbst 2008 mit dem Zivi fertig. Da war es mir aber zu kalt um nach Japan zu fliegen – auch wenn Japan, wie ich später herausfinden sollte, doch viel wärmer ist. Außerdem war ich noch in zwei Projekte eingebunden. Als die dann beendet waren, ging es im Sommer 2009 mit dem Flieger Richtung Japan. Ich hatte endlich die Zeit und das Geld.

„,Keinen Plan machen` war ein bisschen das Motto“

Hast du dir deinen Aufenthalt selbst organisiert oder warst du mit einer Organisation unterwegs?Ich habe mir alles selbst organisiert. Wobei, was heißt organisiert? Mein ursprünglicher Gedanke war, Japan komplett mit dem Fahrrad zu bereisen, und immer dort zu bleiben, wo es mir gefällt und ich Arbeit finde. Ich hatte mir auch ein Zelt und ein gutes Trekking-Rad besorgt. Es ist schlussendlich daran gescheitert, dass ich beides nicht kostengünstig nach Japan kriegen konnte. Also verwarf ich meine Pläne zwei Wochen vor dem Flugtermin und beschloss erstmal in Tokio zu bleiben. Ansonsten war “keinen Plan machen” so ein bisschen das Motto für die Reise.

In Japan gibt es eine Vereinigung für Working Holiday Leute wie mich (Anm.d.Red.: dort heißt Work and Travel Working Holiday). Gegen eine einmalige Aufnahmegebühr von ein paar Euro kann man sich dort ins Verzeichnis aufnehmen lassen, Jobangebote durchgehen und allgemein bei Problemen nachfragen. Ich war allerdings nur zweimal dort, da die Jobs, die dort angeboten wurden, entweder Englisch-Sprachjobs für Muttersprachler waren oder fließendes Japanisch voraussetzten.

„Ich plane ungern sehr genau, da es den Blick einengt“

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Wie lange im Vorfeld hast du dich darauf vorbereitet? War das so passend?Im Prinzip habe ich mich, seitdem ich 14 oder 15 bin, irgendwie immer schon drauf vorbereitet, durch Lektüre und Dokumentationen. Konkret hatte ich dann nicht viel Reisevorbereitung gemacht. Ich hatte mich ein paar Wochen vor Beginn der Reise auf ein Praktikum in Tokio beworben, und durch Zufall meine Wohnung gefunden. Mit einem Lonely Planet Reiseführer setzte ich mich dann in den Flieger. Das Meiste wollte ich vor Ort suchen.

Ich plane ungern sehr genau, da es den Blick einengt. Man ist zu fokussiert auf seinen Plan und nimmt den Rest nicht mit. Ich hatte ein paar grobe, unausformulierte Ideen, aber nix Genaues. Und gerade das fand ich spannend. Ich hatte mehr als 2.000 Euro gespart und konnte mir etwas Planlosigkeit leisten. Ich wollte erstmal machen und dabei vielleicht auf die Nase fallen.

„Gerade in Japan dauert es sehr lange anzukommen“

Wie viel Zeit hattest du vor Ort eingeplant? Ich wollte immer jeden Monat, jede Woche neu entscheiden, ob ich bleibe. Ein Jahr war am Anfang nicht geplant, es hatte sich ergeben. Am Anfang war es nicht einfach. Gerade in Japan dauert es sehr lange anzukommen. Aber jede Woche gab es irgendwie was Neues, Cooles, Aufregendes, was ich in Deutschland nie erlebt hätte, so dass ich sagte: Okay, noch eine Woche. Noch einen Monat. Und am Ende war ein Jahr rum. Ich bin die zwölf Monate in Tokio geblieben, mit regelmäßigen Reisen durchs Land natürlich.

Ich wollte erstmal in Tokio starten, und falls es dort nicht funktionierte, mich woanders umsehen. Aber in Tokio passiert so viel! Nirgendwo sonst hatte ich mehr Chancen und Möglichkeiten als dort, in der größten Stadt der Welt. Diese Megacity war natürlich auch eine Herausforderung. Und die Zeit, sie zu meistern, wollte ich mir jede Woche neu nehmen. Anders gesagt: Jeden Monat dachte ich: Die Stadt kriegt mich nicht unter. Ich werde weitermachen.

„Ich wollte auch weg, weiter als Japan geht es kaum“

Warum hast du dich für dieses Land entschieden? Das ist echt eine schwierige Frage, die mir oft gestellt wurde und die ich mir selbst oft stellte. Es gibt nicht den einen Grund, warum ich nach Japan wollte. Es waren mehrere Gründe. Ich war frustriert, wie es in Berlin lief, auf welchen Level ich als junger Fotograf verdammt war. Ich wollte mehr. Ich wollte auch weg. Weiter als Japan geht es kaum.

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Ich denke, es war mehr ein inneres Bedürfnis, eine innere Suche, die man mit Anfang 20 eben so hat, wenn man aus der Schule kommt und ins Leben starten soll. In Japan fand ich tatsächlich einige Antworten auf Fragen, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie in mir trage.

Die Frage wäre also nicht, warum ich in dieses Land bin, sondern warum ich blieb und immer wieder komme.

„In Japan hat man auf der Straße und im Zug seine Ruhe“

Auf was muss man sich einstellen, wenn man in dieses Land reist?Teure Preise. Das sagen alle, und es stimmt. Allerdings kann man auch in Tokio günstiger leben, als in Hannover, wo ich jetzt studiere. Was einen allerdings viel kosten kann, ist der Transport. Das Zugsystem ist zwar exzellent, schnell und zuverlässig. Aber es ist auch teuer. Und es gibt keine Zeitkarten oder Sonderrabatte. Man zahlt immer nach Distanz. So kann sich schnell mal was anhäufen. Vor allem, wenn man die Linienbetreiber wechselt, ohne es zu merken. Dann zahlt man drauf.

Ansonsten sollte man sich auf Höflichkeit einstellen, positiv wie negativ. Was ich in Japan genieße, und mich in Berlin immer wieder nervt: Auf der Straße und im Zug hat man seine Ruhe. Keiner quatscht einen an, versucht einen was anzudrehen oder dreht in der Bahn die Musik auf. Man nimmt Rücksicht aufeinander und das merkt man. Sich durch Japan bewegen ist erstaunlich stressfrei. Allerdings muss man selbst auch Regeln beachten. Das ist für uns Deutsche weniger schwer als für US-Amerikaner zum Beispiel, weil wir ähnliche Höflichkeitsregeln haben, so wie das Siezen. Und Von Ausländern wird auch nicht erwartet, dass sie alle Regeln kennen.

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Man sollte auch viel Zeit einplanen. Japaner brauchen, auch auf der beruflichen Ebene, sehr lange, bis sie einem vertrauen. Hat man das Vertrauen allerdings erst gewonnen, sind sie sehr loyal.

Die Harmonie der Gruppe ist wichtiger als das Wohl des Einzelnen. Man sollte sich zurücknehmen. Das macht Vieles angenehm, aber auch frustrierend. Konflikte, Konfrontation oder mal ein klärendes Streitgespräch werden vermieden.

Und vorher Japanisch zu lernen, ist ein großer Vorteil!

Würdest du sagen, dass ist für jeden etwas? Oder was sollte man für ein Typ sein, um Spaß daran zu haben und gegebenenfalls auch erfolgreich zu sein?Es ist definitiv nicht für jeden was. Wer egozentrisch agiert und meint mit seinen Qualitäten angeben zu müssen, hat keine Chance. Japan ist also genau das Gegenteil von Berlin. Es zählt Zurückhaltung, privat wie beruflich. Man sollte Geduld und Ausdauer mitbringen, viel Respekt und Höflichkeit. Wer Respekt verteilt, bekommt ihn auch.

Würdest du dich jetzt wieder genauso entscheiden?Ich habe jüngst erst lange darüber nachgedacht. Ich bin ja jetzt auch vier Jahre älter und muss mich mit mehr Verpflichtungen rumärgern (Steuern, Krankenversicherung…). Zudem muss ich meinen Eltern auch immer wieder erklären, warum ich immer noch keine “richtige” Arbeit habe.

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Da ich aber gerade wieder beschlossen habe, ab Sommer für ein Jahr nach Japan zu ziehen, ist das wohl meine Antwort: Ja, ich würde ich mich wieder so entscheiden. Jede Erfahrung brachte mich weiter, nichts war umsonst. Das einzige was ich vielleicht ändern würde: Ich würde nicht wieder ein T-Shirt für 5.000 Yen (etwa 50 Euro) in der ersten Woche meines Aufenthalts kaufen. Ich hatte damals noch keinen Bezug zum Yen, das war wie Spielgeld.

Was war bisher die beste/schlimmste Erfahrung, die du gemacht hast?Die besten Erfahrungen waren sicher die Reportagen, die ich recherchiert habe. Die haben mir Möglichkeiten eröffnet, die ich in Berlin nie gehabt hätte. Alle habe ich selbst gefunden, recherchiert und umgesetzt. Ich habe in Japan eine Freiheit schmecken können, die ich seitdem nie wieder hatte. Beruflich wie privat.

Es war zwar nicht so lustig, häufig so pleite zu sein und ohne Geld da zu stehen. Rückblickend war das dann aber doch ganz ulkig und wertvoll. In der zweiten Woche nach meiner Ankunft ging mir auch meine Kamera kaputt, aber anschließend kaufte ich mir eine bessere.

Ich denke, das Schlechteste am Jahr in Japan, war der Rückflug nach Berlin.

Welches war die lustigste Vokabel, die du unterwegs gelernt hast?Vielleicht nicht lustig, aber eine wichtige Vokabel: ikiatari battari. Ich weiß nicht mal, ob sie richtig ist.

Ich lernte in Tokio eine junge Sängerin kennen, Sayuri. Ihre Band begleitete ich dann über mehrere Konzerte bis zur Auflösung und Abschlusskonzert (http://Tokiofotosushi.wordpress.com/2010/05/14/und-am-ende-bleibt-nur-das-echo/). Am Abend nach einem der Konzerte war ich mit der Sängerin alleine unterwegs. Ich war gerade erst wieder von einer Reise durch Japan zurück. Wieder war es eine Reise ohne Plan. Ich setzte mich einfach in den Zug und entschied spontan, wo ich aussteigen und bleiben wollte. Das geht in Japan auch erstaunlich entspannt.

Ich erzählte also von meiner Reise und sie sagte nur, ich sei “ikiatari battari”, was so viel heißt wie “keinen Plan machen”. Ich fand das ganz passend, auch als Motto für mich. Vor allem, weil es so konträr gegen Japan geht, wo alles immer schön ordentlich geplant und drei mal abgesichert ist.

Ansonsten mag ich “shoganei” ganz gerne, was so viel heißt wie “da kann man nix machen, was solls”. Das wird von Japanern bei allem benutzt: bei verlorenen Wettkämpfen, Naturkatastrophen oder Missgeschicken. Ich hab dem Wort sogar ein ganzes Kapitel in meinem Buch gewidmet.

Wie unterscheidet sich das Arbeits(-Leben) von dem hierzulande?Konflikte werden vermieden. Überstunden gelten als normal, keiner geht, bevor der Letzte fertig ist. Japaner sind sehr verschlossen und schüchtern. Ich habe wenige sehr gute japanische Freunde – was auch mit einer anderen Definition von Freundschaft zusammen hängt. Von Freunden erwarte ich, dass sie ab und an auch mal von ihren Sorgen, Gefühlen oder Problemen erzählen. Das machen Japaner nicht- und wenn dann nur nach zehnmaligem Nachfragen, drei Bier und in vielen subtilen Andeutungen. Das ist auf die Dauer echt anstrengend. Man muss viel Zeit investieren. Die Japaner selbst haben diese Zeit meist nicht, da sie ständig arbeiten müssen. Es gibt ein sehr hohes Gefühl für Pflichtbewusstsein.

Japaner stehen auf alles Fremde und sind neugierig, woher man kommt. Sie sind ehrlich interessiert und begeistert. Small Talk gibt es nicht wirklich. Wenn ich jemanden etwas erzähle und ihn erst Monate später wieder treffe, weiß der meist alles, was ich ihm erzählt habe. Das hat auch was mit Respekt zu tun, den sie einem gegenüber anbringen. Es wäre unhöflich und respektlos, einfach nur zu reden, um zu reden. Zumindest laut meiner Erfahrung.

Am Anfang sind Japaner sehr schüchtern und steif. Einige haben sogar etwas Angst vor Leuten aus dem Westen, weil sie selbst kein Englisch sprechen. Nicht antworten zu können, wäre unhöflich. Signalisiert man, dass man Japanisch kann, gibt es für sie dann aber kein Halten.

Du hast dich ja erst nach anderen Jobs, zum Beispiel als Kellner, umgesehen, konntest dann aber als Fotograf und Journalist arbeiten. Wie ist es dazu gekommen?Der Hauptgrund, warum ich keine Jobs fand und dann als Fotograf arbeitete, war die Sprache. Mein Japanisch reichte nicht für Nebenjobs. Bildsprache ist aber zum Glück universal. Dazu kam der glückliche Umstand, dass es in Tokio kaum deutsche Fotografen gibt. Japanische Fotografen werden zudem anders ausgebildet als in Europa bzw. dem Westen. Der Fotograf führt in Japan nur das aus, was ihm der Art Director vorgibt. Es wird nicht erwartet, dass er kreativ arbeiten kann und Bildideen entwickelt. Das kann ich allerdings ganz gut, so dass ich eine Nische besetzen konnte. Ich war für deutsche Medien oder westliche Klienten dann in Tokio als Fotograf unterwegs.

Die Aufträge waren mal viele, mal wenige  – oder mal keine. Wie das eben so ist, als Freiberufler.

Mit einem Kellnerjob hatte ich dann Glück und war nicht mehr so abhängig von der Auftragslage (http://Tokiofotosushi.wordpress.com/2010/05/14/und-am-ende-bleibt-nur-das-echo/). Mein Japanisch konnte ich mit den betrunken Gästen dort auch aufbessern.

„Nach meiner Rückkehr war ich in den Redaktionen nur als der „Japan-Futzi“ bekannt

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Mittlerweile hast du drei Bücher über Japan geschrieben, dein Aufenthalt war also dein Karrieresprungbett. Was hat dafür den Anstoß gegeben?Ich hatte Chancen, die mir in Berlin nicht gegeben wurden. Ich konnte beweisen, was ich kann. Ich habe als erster Deutscher, oder sogar teilweise als erster aus dem Westen, Geschichten recherchiert und umgesetzt. Diese Exklusivität half mir dabei, mich zu etablieren – auch wenn mein Handwerk sicher nie das Beste war. So entstanden die ersten zwei Bücher (siehe auch: http://Tokiofotosushi.wordpress.com/2013/04/02/meine-wichtigste-geschichte-1-teil/).

Das dritte kam dann durch meinen Blog, den ich seit Beginn meines Aufenthaltes in Japan (und darüber hinaus) führe. Ein Verlag hatte ihn entdeckt. Sie suchten gerade einen neuen Autor für Japan für eine Reihe neuer Reiseführer. Mein Schreibstil und mein reflektierter Umgang mit Japan, sowie meine Fotos gefielen ihnen. (Insbesondere dieser Eintrag soll entscheidend gewesen sein: http://Tokiofotosushi.wordpress.com/2011/09/16/warum-Tokio-nicht-ein-jahr-auf-mich-gewartet-hat/)

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Ich habe einfach immer Sachen gemacht, auf die ich Lust hatte. Ich hab die Menschen getroffen, die ich spannend fand. Und ich führe den Blog als Ventil und Möglichkeit Sachen zu veröffentlichen und zu zeigen, die ich nicht verkaufen kann. Ich habe ihn mehr als zwei Jahre lang regelmäßig gefüllt, viel Zeit investiert – und dann kam die Anfrage vom Verlag. Auch nach Japan bin ich, weil ich Lust drauf hatte. Ich denke, das ist universal. Der Erfolg kam, weil ich das machte, worauf ich Lust hatte.

Mittlerweile sehe ich das allerdings etwas skeptischer. Nach meiner Rückkehr war ich in den Redaktionen nur als der “Japan-Futzi” bekannt. Aufträge, die nichts mit Japan zu tun hatten, bekam ich kaum. Meine drei Bücher habe ich ja nun eben auch über Japan geschrieben, und nicht über andere Länder. Jedes weitere Buch, jeder weitere Artikel in die Richtung, zementierte eigentlich nur weiter meinen Ruf als Japan-Futzi. Es ist schwer, sich davon zu lösen. Mein Leben lang möchte ich nicht in Japan verbringen, vielleicht noch mal ein bis zwei Jahre. Ich kann mehr als nur Japan.

Freunde von mir, die in Sachen Medien/Design/Fotografie in Japan, insbesondere in Tokio, tätig waren und danach wieder heimkehrten, bestätigen mir das. Sie werden auch nur auf Japan reduziert. Zudem wird ihnen die Zeit nicht wirklich angerechnet. Ein Jahr in Tokio ist weniger “wert”, als ein Jahr New York, London oder Paris. Als ich wieder in Berlin anfing, nach einem Jahr großer Aufträge und Geschichten in Japan, begann ich wieder auf dem untersten Level. Japan wurde mir nicht angerechnet. Es ist also irgendwie eine Einbahnstraße. Mit Überholspur.

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War das damals ein Wink des Schicksals, als du zufällig dem Fotoshooting vor dem Café beigewohnt hast? Ich denke es war mehr ein Wink mit dem Zaunpfahl, der mir zeigte, dass alles andere irgendwie nicht funktioniert. Die Café-Besitzerin gab mir übrigens ein Magazin mit, darin fand ich die Anzeige einer australischen Fotografin in Tokio, bei der ich dann als Assistent anfing. Als ich vor einem Shooting mal auf sie warten musste, machte ich auf der Straße ein Foto. Dieses wurde dann einige Monate später als Titelfoto eines Magazins in Japan abgedruckt. Ein Riesending (http://Tokiofotosushi.wordpress.com/2010/02/07/wie-konnte-das-nur-passieren/). Und nicht möglich, ohne das geplatzte Jobinterview im Café und dem Fotoshooting davor.

Hast du noch weitere Projekte mit Japan-Bezug in Planung? Gerade habe ich ein Stipendium bekommen für ein Auslandssemester in Hiroshima, ab Sommer/Herbst diesen Jahres. Ich würde dann noch ein Praxissemester in Tokio ranhängen. Ich möchte also wieder für ein Jahr in Japan wohnen. Das legt mich dann zwar noch weiter auf die Japan-Schiene fest, aber es ist das, worauf ich jetzt Lust habe. Damit bin ich bislang am besten gefahren.

„Ich würde gerne mal längere Zeit in China leben, in New York, auf Island, in Frankreich“

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Im Moment studierst du ja, was hast du nach deinem Studium geplant? Ich habe ja auch schon vor meinem Studium gearbeitet und Sachen veröffentlich. Ich mache es ja jetzt noch nebenbei, so gut es eben geht. Ich habe natürlich weniger Zeit, mir Geschichten zu suchen und umzusetzen, sofern sie nicht auch gleichzeitig für die Uni sind. Ich studiere Fotojournalismus an der Hochschule Hannover. Die Schule ist besonders darin, dass sie schon während des Studiums regelmäßig Jobs an Studenten für Magazine oder Klienten wie Bosch oder VW verteilt. Arbeit und Studium sind ein fließender Prozess, beides geht Hand in Hand. Das heißt, nach dem Studium geht es so weiter, wie währenddessen.

Was ich allerdings wirklich gerne hätte, wäre das, was ich in Japan hatte: die Geschichten machen, auf die ich Lust habe – und davon leben. Und zwar nicht nur in Japan. Ich würde gerne mal längere Zeit in China leben, in New York, auf Island, in Frankreich. Mit meinem Job geht das ja ganz gut, ich kann überall arbeiten. Längere Zeit an einem Ort zu bleiben ist langweilig.

„Von einer intensiven Woche könnt ihr ein Leben lang zehren“

Welche Tipps würdest du anderen geben, die Ähnliches vorhaben?Spart Geld. Mehr als genug Geld als Sicherheit zu haben gibt Gelassenheit. Man sieht Vieles nicht so verbissen und man kann sich mal mehr Zeit lassen. Und nehmt euch die Zeit. Von einer intensiven Woche könnt ihr ein Leben lang zehren. Macht das, worauf ihr Lust habt, irgendwann führt es zum Erfolg. Plant so wenig wie möglich, seid spontan. Setzt euch mal in den Zug, ohne zu wissen wohin es geht. Wenn ihr von der Reise erzählt, erzählt es gut. Denkt dran, wem ihr es erzählt. Und packt ein Handtuch ein.

Was sollte man unbedingt im Reisegepäck haben und was ist absolut überflüssig?Ich habe in Tokio erst auf sechs Quadratmetern gewohnt (http://Tokiofotosushi.wordpress.com/2010/01/30/bye-bye-hatsudai/), danach auf vier Quadratmeter. Ohne Fenster. Man lernt dabei erstaunlich gut, sich zu reduzieren. Es gibt so Vieles, was einfach nicht wichtig ist. Verpflichtungen sind Ballast. Und Dinge sind nur Dinge. Packt genug Klamotten ein, damit es für eine Woche und drei Tage reicht. Und für den vierten Tag dann noch ein Deo. Ein Lonely Planet ist ein wichtiges Buch, habt ihn immer dabei, er hat meistens Recht. Er beschreibt nur, statt zu zeigen. So kommt man nicht irgendwo an und hat das Gefühl, schon alles gesehen zu haben. Ich reiste meist mit einem Zugticket, meiner Kamera, einem Shirt zum Wechseln und einem Handtuch. Mehr brauchte ich nicht, um glücklich zu sein.

Ihr nehmt immer mehr mit zurück, als ihr anfangs hinbringt. Also lasst Platz. In der Tasche und im Kopf.

Was nimmst du von deiner Reise für die Zukunft mit?

Den Geschmack von Freiheit.

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Wie gut konntest du vorher Japanisch und wie gut kannst du es jetzt?Für jemanden, der schon drei Bücher und viele Artikel über Japan schrieb, ist mein Japanisch erstaunlich schlecht. Aber die Korrespondenten der ARD und ZDF in Tokio sprechen auch schlecht Japanisch – und die gewinnen Preise für ihre Japan-Berichterstattung.

Ich hatte vor Japan mit Büchern und einem Volkshochschulkurs gelernt. Das reichte für die Basics. Mit hundert Phrasen schlug ich mich die ersten sechs Monate durch. Erst danach, mit Beginn des Studiums und einem Japanisch-Kurs hier in Hannover, wurde ich viel besser. Ich konnte dann ganz gut Japanisch schreiben und lesen. Da mir die Zeit zum regelmäßigen Üben fehlt, habe ich inzwischen wieder viel vergessen. Es ist aber alles noch irgendwo im Kopf drin. Sobald ich immer 24 Stunden lang von Japanisch umgeben bin, taucht alles wieder auf. Aber es ist alles noch nicht ganz da, wo ich gerne wäre. Ich muss einfach mehr sprechen. Ich denke, noch ein Jahr in Japan und ich kann es fließend. Das ist zumindest mein Ziel.

Ihr wollt mehr von Fritz` Japanaufenthalt, seiner Arbeit erfahren und seine Fotos bewundern, dann schaut auf seiner Internetseite http://www.fotografritz.de/ vorbei.

Interview: Simone Zettier


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