Anja Knorr vom Reiseblog “Happy Backpacker” im Interview

„Mit meiner Reiseleidenschaft bin ich sozusagen das schwarze Schaf in der Familie“

Anja Knorr Happy Backpacker

Anja Knorr fühlt sich überall in der Welt zuhause, ist sie länger als vier Monate an einem Ort, wird ihr schnell langweilig. Kein Wunder, dass sie ständig unterwegs ist und mit ihrem Reiseblog „Happy Backpacker“ ihre Berufung gefunden hat. Ihre Mission: anderen Backpackern mit ihren Tipps helfen.

Du bist mit Anfang 20 das erste Mal alleine verreist, damals ging es nach Frankreich. Aus einigen Monaten wurden zwei Jahre. Wie hat sich das damals ergeben?
Anfangs hatte ich große Angst, alleine für so lange Zeit in ein fremdes Land zu gehen, dessen Sprache ich nicht beherrschte und in dem ich niemanden kannte. Damals suchte ich mir noch per Post einen Job als Kellnerin in Roquebrune Cap Martin an der Côte d’Azur und hatte anfangs schreckliches Heimweh. Jeden Tag acht Stunden arbeiten, ich kannte niemanden und verstand nur Bahnhof. Doch ich wollte es wenigstens ein paar Monate aushalten und mir beweisen, dass ich das schaffen kann. Schon nach kurzer Zeit verliebte ich mich in Frankreich, die Kultur, das warme Wetter und fand tolle Freunde. Schon bald war klar, dass ich noch länger bleiben wollte und mein damaliger Chef bot mir an, länger für ihn zu arbeiten. So einfach war das. Da wurde mir klar, dass meine anfänglichen Ängste völlig unbegründet waren.

Seitdem bist du immer wieder viel gereist, auch jeweils für längere Zeit, und hast unter anderem noch in England, Australien und den USA gelebt. Woher kommt diese Reise-Leidenschaft? Liegt das Weltenbummler-Gen in der Familie?
Absolut nicht. Mit meiner Reiseleidenschaft bin ich sozusagen das schwarze Schaf in der Familie. Alle hoffen, dass ich doch noch einmal irgendwann sesshaft werde. Ich bin gerne zuhause und genieße es, verwöhnt zu werden, doch jedes Mal wenn ich ein paar Monate in Deutschland verbringe, juckt es mich über kurz oder lang in den Fingern und ich will wieder den Wind der Freiheit in meiner Nase verspüren. Nicht zu wissen, was mich an der nächsten Straßenecke erwartet, ist ein süchtig machendes Gefühl.

Im Moment lebst du allerdings doch wieder in Deutschland, warum das?
Das hat einen ganz langweiligen Hintergrund, ich muss Geld verdienen und habe mich nach fast zehn Jahren Nomadendasein danach gesehnt, endlich einmal wieder in einem eigenen Bett zu schlafen.

„Ich liebe alle Ziele, die am Meer liegen und in denen es tropisch warm ist“

Hast du ein Traumland?
Das ist schwer, zu beantworten. Es gibt so viele tolle Länder und ich bin mir sicher, viele davon noch gar nicht gesehen zu haben. Generell liebe ich alle Ziele, die am Meer liegen und in denen es tropisch warm ist. Dann brauche ich nur noch Wellen und ein Surfbrett, Palmen am Strand und ich bin an meinem  Lieblingsspot.

Du reist meistens alleine, was ja auch viele Vorteile hat, weil man schnell neue Leute kennen lernt, aber
wünschst du dir nicht manchmal, die Erfahrungen teilen zu können?
Auf jeden Fall! Zusammen mit dem Partner oder Freunden zureisen macht unheimlich viel Spaß. So habe ich mit meiner besten Freundin mal ein paar Monate zusammen Mittelamerika unsicher gemacht und wir hatten dabei so viel Spaß, dass wir auch noch Jahre danach Lachanfälle und nostalgische Rückblick-Anfälle bekommen. Allerdings ist es immer schwierig, jemanden zu finden, mit dem du auch tatsächlich monatelang 24/7 zusammen sein willst und erträgst. Da kann es auch zu großen Streitereien kommen, wie es weitergeht. Oftmals haben viele meiner Freunde auch einfach keine Zeit mehr und nur noch ein paar Wochen im Jahr Urlaub. Zuhause zu bleiben und zu hoffen, dass sich doch noch jemand erbarmt, ist für mich nie eine Option gewesen. Außerdem genieße ich so auf meinen Reisen eine große Freiheit, muss mich nach Niemandem richten und kann tun und lassen, was ich will.

 „Beim Reisen legen die Meisten ihre Scheu ab“

 Warum ist es so leicht, auf Reisen jemanden kennen zulernen und Zuhause so schwer?
Gute Frage, das habe ich mich auch schon oft gefragt. Generell macht man sich zuhause zu viele Gedanken und überlegt erst einmal, was der andere von einem denken könnte, und nach all der Überlegerei ist meist der Moment verflogen. Auf Reisen quatschen einen meist die anderen an, viele Kulturen wie die US-amerikanische sind ja quasi im Mitteilungsbedürfnis-Modus und freuen sich über jedes williges Opfer. Ich denke, die Meisten legen einfach beim Reisen ihre Scheu ab und fühlen sich frei und ungebunden, ohne die lästige Scheu, die einem in Deutschland immer eingebläut wird. Schon mal versucht, in der Berliner U-Bahn ein Gespräch mit deinem Sitznachbarn anzufangen? Die schauen dich an, als würdest du sie sexuell belästigen wollen.

„Vor einer größeren Reise sollte man das Alleinsein ausprobieren“

 Ist alleine zu reisen eine Erfahrung, die jeder im Leben einmal machen sollte? Was sollte man für ein Typ sein, um Freude daran zu haben?
Sicherlich ist es von Vorteil offen und kontaktfreudig auf andere zuzugehen, doch letzten Endes muss das jeder für sich entscheiden und ist individuell ganz verschieden. Man muss sich selbst kennen und einschätzen können, was einem gefällt und auch mal mehrere Tage alleine mit sich sein können. Daher rate ich auch allen Backpackern vor einer größeren Reise, das Alleinsein auszuprobieren, eventuell auf einem Städtetrip in Europa, oder aber je nach Interesse einen Sprach- oder Tauchkurs vor Ort zu buchen, um gleich Anschluss zu finden.

„Ich hoffe, dass so viele Backpacker wie möglich von meinen Tipps profitieren können“

 Du betreibst eine Website, die sich an gleichgesinnte Weltenbummler richtet, wie kam es dazu?
Viele Leute haben mir schon oft gesagt, dass ich meine Reisegeschichten und Tipps aufschreiben sollte und anderen damit helfen könnte. Anfang 2000 war das Internet für mich jedoch noch so weit weg, dass ich nicht einmal wusste, dass es Blogs gab, geschweige denn, wie man einen Blog erstellt. Doch nach und nach bemerkte ich, dass das Ganze gar nicht so schwer ist und hoffe, dass so viele Backpacker wie möglich von meinen Tipps profitieren können und sehen, dass es gar nicht so schwer ist wie sie denken, ihren Traum von der ultimativen Weltreise zu ermöglichen.

„Ich buche meist einfach mein Flugticket und lasse den Zufall spielen“

Wer hat dir damals Tipps gegeben, oder wie hast du deine Reisen organisiert?
Ich war schon immer ein Dickkopf und wenn ich einmal etwas in den Kopf setze, ziehe ich es auch durch. Daher buche ich meist einfach mein Flugticket und lasse den Zufall spielen auf meinen Reisen. Ich mag keine Organisationen und Planungen im Voraus, da es eh immer anders kommt als man denkt. Bei Reisen nach Übersee mit Visa-Abwicklungen schau ich mich einfach im Netz um, da man in den meisten Ländern ja mittlerweile online sein Visum beantragen kann.

„Der Beistand von Fremden hat mein Vertrauen in die Welt gestärkt“

Was war bisher die beste/schlimmste Erfahrung, die du gemacht hast?
Ich hatte Gott sei Dank bisher meistens immer Glück auf meinen Reisen und traf wundervolle Menschen, die mir geholfen haben. Schlimm fand ich es nur einmal, als ein Geldautomat in Singapur meine einzige Bankkarte einzog und ich komplett ohne Bargeld und Karte dastand. Dumm gelaufen. Ich sah mich ausgerechnet im klinisch-sauberen Singapur unter der Brücke schlafen und von der Polizei in eine Gefängniszelle geschoben zu werden, da das öffentliche Herumlungern in dem Land verboten ist. Doch fügte sich alles. Die Mitarbeiter der Bank trösteten mich und versprachen, innerhalb von zwei Tagen die Karte aus dem Automaten zu bekommen. Ich checkte in dem billigsten Hostel der Stadt ein, in dem ich vorher schon mal genächtigt hatte, und durfte auf dem Dach unter einer Plane logieren. Natürlich musste ich versprechen, nach den zwei Tagen mein Bett zu bezahlen. Viele der Hostelbewohner hörten von meiner misslichen Lage und gaben mir Essen und sonstige Unterstützung. Dieser Beistand von völlig Fremden überwältigte mich und hat einmal mehr mein Vertrauen in die Welt gestärkt.

„Meine Cameo-Auftritte als Komparsin in indischen Bollywood-Filmen waren lustig“

Du hast dir vor Ort auch immer wieder Jobs gesucht. Welcher hat dir am besten gefallen? Wieso?
Lustig waren sicherlich meine Cameo-Auftritte als Komparsin in indischen Bollywood-Filmen, die zuhauf in Sydney gedreht werden. Manchmal musste ich nur hübsch aussehen und meine Klappe halten, doch manchmal wurde man richtig gefordert. So wurde ich einmal angemalt wie eine Hamburger Prostituierte in St. Pauli, musste auf die Bar klettern und mit dem Star des Films über die Bar wackeln. Dabei entblätterte er langsam seinen roten Anzug in grässlich-roter Fell-Optik und schleuderte mich durch die Luft. Ich schwöre, dabei handelte es sich um keinen Porno, sondern einen ernstzunehmenden Film über einen indischen Jungen, der natürlich die große Liebe findet. Die Bezahlung war für die paar Stunden auch meistens klasse.

Hast du Tipps für die Jobsuche in einem anderen Land?
Man darf auf keinen Fall schüchtern sein oder sich unter Wert verkaufen und man sollte kein Geld ausgeben für irgendwelche Agenturen, die einem die Traumjobs versprechen. Am besten druckt man seinen Lebenslauf aus und klappert alle potentiellen Jobstellen persönlich ab und hinterlässt einen guten Eindruck. Klar ist dabei, dass ihr unbedingt die jeweilige Landessprache beherrschen solltet oder zumindest euch auf Englisch unterhalten könnt. Coole Ideen zu den Working Holiday Jobs findet ihr hier

Du surfst und tauchst auch gerne. Was sind da deine absoluten Hotspots?
Geile Wellen gibt es in vielen Ländern, aber mich Frostbeule zieht es immer wieder nach Australien und nach Mittelamerika. Das Wasser ist klar, blau und vor allen Dingen so warm, dass ich keinen Wetsuit brauche und die Strände sind auch nicht so überlaufen wie in Europa oder in den USA. Mein Hotspot ist nach wie vor Santa Catalina in Panama, da gab es für mich auch als Taucherin Weltklassespots.

„Das Must-have für jeden Backpacker ist ein Sarong“

 Du bist bei deinen vielen Reisen Experte für Reisegepäck. Was sollte man unbedingt dabei haben und was ist absolut überflüssig?
Das unbedingte Must-have für jeden Backpacker ist ein Sarong. Der ist ein Alleskönner und kann in warmen Ländern als Schlafdecke, Strandlaken und leichten Sonnenschutz dienen. Er passt in jede Handtasche und verdeckt bei vielen Tempelbesuchen die Schultern. Daneben natürlich Reisepass, Kreditkarte und Auslandskrankenversicherung nicht vergessen. Den Rest kann jeder vor Ort kaufen. Weniger ist mehr.

Interview: Simone Zettier


0 Gedanken zu „Anja Knorr vom Reiseblog “Happy Backpacker” im Interview“

  1. Hallo Anja,
    Bin gerade beim Stöbern über Urlaub in Puerto Rico auf Deiner Seite gelandet. Deine Beiträge sind wundervoll und man möchte sofort die Koffet packen.
    Hier schreibe ich Dir, weil ich gerne eine Tip aus der Erfahrungskiste hätte:
    Ich bin 71 Jahre, fit, reise gerne und hab schon viel gesehen. Nun möchte ich im Januar od. Februar dem deutschen Winter entfliehen und suche ein Ziel, habe viele Ziele gegoogelt und heute Abend hatte ich Freunde aus Panama bei mir, die mir zu Puerto Rico geraten haben. Ich habe viel recherchiert wie Kolumbien, Karibik, Mauritius, Domrep usw.
    Könntest Du mir Puerto Rico empfehlen? Wie ich schon beim Stöbern sah, gibt es auch alles wie Meer, Sträne, Mangroven, Wälder …..
    Wo wäre es gut zu wohnen, um von da aus viel zu unternehmen mit Locals.
    Vielen Dank für eine Rückmeldung.

    Liebe Grüße,
    Karin

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