Work & Travel Australien | Ostküste vs. Outback


von Clemens

Wie viele meiner Freunde packte mich während meiner Abizeit die Reiselust, unweigerlich zog mich der allgemeine Enthusiasmus in seinen Bann. Eigentlich war ich nie der unerschrockene Abenteurer, aber der Gedanke, mich nach dem Zivildienst in die weite Welt aufzumachen, beflügelte mich auf einmal. Zwar hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt keine Vorstellung, wo es hingehen sollte, aber es war die Idee geboren, mich ins wilde Abenteuer zu stürzen.

Neuseeland…

Vorerst stand mir jedoch die Zeit des Zivildienstes bevor. Auch wenn es dankbarere Jobs auf dieser Welt gibt bin ich im Nachhinein eigentlich ganz froh in dieser Pflicht gewesen zu sein. Zudem konnte ich mir so schon etwas für mein Reisekapital dazu sparen. Meine Planung hatte sich zunächst noch nicht weiter konkretisiert, bis ich eines abends auf einer Party mit einem guten Freund und Zivikollegen auf das Thema Work and Travel zu sprechen kam. Er hatte sich auch überlegt, etwas in der Art zu unternehmen, und so beschlossen wir kurzerhand, zusammen zu verreisen. Wir machten uns daran, unser Vorhaben in die Tat umzusetzen. Anfangs planten wir nur Neuseeland zu bereisen, weil es uns in all seiner Vielfalt zwischen gewaltigen Alpen im Süden und subtropischer Wälder im Norden, zwischen unendlicher Stille und pulsierendem Stadtleben von Grund auf faszinierte.

…oder doch Australien

Über Australien hatten wir bis dato noch gar nicht nachgedacht. Das änderte sich schlagartig, als unsere Terminplanung ins Spiel kam. Wir wollten am liebsten sofort nach Dienstschluss unseres letzten Arbeitstages aufbrechen. Dann fiel uns auf, dass auf der anderen Seite der Welt dann tiefster Winter sein würde. Unsere Sehnsucht nach tropischen Palmenstränden und Sonne brachte dann zum Glück auch Australien auf den Plan, das mindestens genauso vielseitig und einmalig ist. Je mehr Form das ganze Unternehmen annahm, desto schneller schienen die Wochen nun zu vergehen. Dennoch kam es mir vor wie eine halbe Ewigkeit.

Die Work and Travel -Planung beginnt

Wir hatten eine Menge zu organisieren: Visa beantragen, Flüge buchen, Reiseversicherungen abschließen und unendlich viele Infos einholen. Selbst als der Tag gekommen war, an dem es Zeit wurde zu packen, konnte ich noch nicht wirklich realisieren was nun vor uns lag, dass ich den Rucksack nun nicht für einen zweiwöchigen Urlaub sondern für eine Reise von sieben Monaten packen würde, auch wenn das effektiv kaum einen Unterschied macht, denn viel mehr packt man ja auch nicht ein. Erst als ich dann im Flieger saß wurde mir langsam klar, was ich mir da eingebrockt hatte, und mir wurde etwas unbehaglich dabei. Aber ich war ja nicht allein unterwegs, und so hatten wir auf dem 24-stündigen Flug vor allem eine Menge Spaß.

>> Clemens in Neuseeland

Australien, jetzt kommen wir!

Angekommen in Sydney trafen wir uns erstmal mit ein paar Freunden, die nach 10 Monaten Australien ihre letzte Zeit in Sydney genossen. Auf deren Geheiß suchten wir uns ein Hostel im Kings Cross, dem traditionsreichen Rotlicht- und heute auch Party- und Backpackerviertel der Stadt. Zum Glück waren wir früh genug vor dem Papst angekommen um noch ein günstiges Zimmer zu bekommen, denn in den folgenden Tagen füllte sich die Stadt rasant mit Jugendlichen aus aller Welt, die den Weltjugendtag begehen wollten.

Mit dem Auto an die Ostküste…

Wir hatten allerdings andere Dinge im Sinn als seine Heiligkeit zu treffen. Vielmehr suchten wir nach einem Auto um unsere Reise an der Ostküste zu beginnen, was nicht so leicht war wie wir erwartet hatten. Unser rollendes Heim wurde für die nächsten drei Monate, wie es das Schicksal wollte, ein roter Ford Falcon – ein Kombi, Automatik, und ungefähr so alt wie wir. Da wir eine Menge vom Land sehen wollten brachen wir auf als auch das Papamobil die Straßen Sydneys unsicher machte. Aus der Stadt zu kommen war (wie man sich denken kann) allein ein kleines Abenteuer, aber erst einmal auf dem Highway angekommen, hieß es Beine hochlegen und sehen was kommt (naja, ich hab natürlich eins auf dem Gaspedal gelassen).

…in Richtung Tropen!

Ein paar Wochen später waren wir durch eine Menge interessanter Orte gekommen und hatten schon an vielen traumhaften Stränden gelegen. Wir fuhren den Tropen entgegen, und je weiter wir uns Richtung Norden bewegten, desto wärmer wurde es. Die meisten Tage suchten wir uns Campingplätze um nicht beim Wildcampen am Strand erwischt zu werden, da wir gehört hatten, dass das ziemlich teuer werden kann. Nachdem wir einige Zeit in Byron Bay verbracht hatten machten wir einen Abstecher ins Inland zu einem Örtchen namens Nimbin. Wir hatten den Tipp bekommen, uns dieses 350-Seelen-Dorf unbedingt anzuschauen, und es war auf jeden Fall einen Ausflug wert. Ein Hippiefestival hatte 1973 dafür gesorgt, dass hier eine offene Cannabiskultur geführt wurde und wird, es gibt hier sogar ein Hanfmuseum. Leider schien sich das Ganze mit der Zeit auch als Touristenattraktion vor allem für junge Backpacker etabliert zu haben, woran die ehemalige Zurückgezogenheit und gemütliche Alt-68er Hippie-Atmosphäre des Ortes ein wenig litt. So reisten wir von Ort zu Ort und von Nationalpark zu Nationalpark, immer gen Norden und stets trafen wir eine Menge anderer Wandersleute, mit denen wir viele Abenteuer bestanden.

Durch den Dschungel zum “Great Barrier Reef”

Nachdem wir nun schon mehr als 2 Monate in Australien unterwegs waren, kamen wir in die tropischen Regionen Australiens. Kurz vor Cairns machten wir einen Abstecher in einen Nationalpark, der sich dann als tiefster Dschungel entpuppte. Die Straße führte uns zu einem Campingplatz wie es sie in den meisten Nationalparks gibt. Gegen eine geringe Gebühr (die man in dafür bereit liegenden Tüten in einen Holzkasten wirft) kann man sich einen Platz suchen und Toilette, Dusche sowie Gaskochstelle nutzen. Nachdem wir uns eingerichtet hatten um dort zu übernachten, machten wir uns auf den Weg um den Dschungel zu erkunden – was dann aufregender wurde, als wir gedacht hätten.

Blutegel-Alarm!

Unsere Wanderung führte uns entlang eines idyllischen Flusses, der sich eine Schneise in den dichten Wald geschnitten hatte und hier und da kleine Abhänge mit Wasserfällen überwandt. Wir nahmen eine Abbiegung, die uns wie eine Abkürzung vorkam. Nach gut einer halben Stunde wurde der Pfad aber immer verwilderter und irgendwie begannen wir daran zu zweifeln, dass er uns noch irgendwohin führen würde. Allerdings wollten wir auch so schnell nicht aufgeben, wo wir doch schon so weit gelaufen waren. Dummerweise begann es langsam dunkel zu werden und während wir kurz standen und überlegten sah ich etwas auf dem Oberarm meines Freundes sitzen. Als ich darauf zeigte erschrak er sich und schlug das Ding weg bevor wir erkennen konnten was es war. Die Frage stellte sich jedoch kurz darauf nicht mehr denn das Blut ronn wie Wasser aus dem Arm: Ein Blutegel! Mein Blick glitt sofort zu Boden und dort wimmelte es nur so von den Tieren, und einige waren grade dabei meinen durchlöcherten Schuh zu erklimmen.

Wir versuchten die Biester von den Schuhen zu bekommen, um schnellstens zurückzugehen, doch das war gar nicht so leicht da sie sich regelrecht festbissen. Nachdem wir uns befreit hatten, bewegten wir uns im Eiltempo zurück doch alles war voll mit Blutegeln. Ich frage mich wie wir das vorher nicht bemerkt hatten, wo wir doch mit unseren kurzen Sachen und ohne T-Shirt fröhlich durchs hohe Grass gestapft waren, in der Annahme der Weg würde gleich wieder begehbarer werden. Alle paar Meter hielten wir kurz an um ein paar Würmer abzustreifen. Als dann noch eine Schlange unseren Weg kreuzte fingen wir endgültig an zu rennen, was einem bei 35° und tropischer Luftfeuchtigkeit ganz schön zusetzen kann.

Sicher zurück im Camp

Somit waren wir froh, als wir endlich wieder das Camp erreichten. Diese Nacht riegelten wir trotz der Hitze alle Fenster ab, um beruhigt schlafen zu können. Am nächsten Tag machten wir uns auf nach Cairns. Da wir hier unsere letzte gemeinsame Zeit verbringen sollten, schlossen wir einen Pakt: Sollten wir es schaffen, unseren liebgewonnenen Ford Falcon zu verkaufen, wollten wir von dem Geld einen Tauchschein machen. Natürlich waren wir überglücklich als wir 2 Wochen später das Auto für denselben Preis verkauften, für den wir es gekauft hatten. Im Nachhinein hätte man ihn sogar für viel mehr verkaufen können, da zu dieser Zeit eine riesige Nachfrage in Cairns war. So bekam ich noch Wochen danach Anrufe, ob das Auto noch zu haben wäre.

Clemens macht einen Tauchkurs

Was den Tauchkurs anbelangt war mir etwas mulmig davor, da ich kein besonders guter Schwimmer bin. Irgendwie schaffte mein Freund es aber mich zu überreden, so dass wir ein paar Tage später auf einem Boot Richtung Great Barrier Reef unterwegs waren. Die ersten Tauchgänge waren noch anstrengend, da ich viel zu sehr damit beschäftigt war, mit dem tauchen zurechtzukommen, und ich bekam nicht wirklich viel von meiner Umgebung mit. Das änderte sich aber zum Glück recht schnell und die Tauchgänge waren einfach nur überwältigend. Wir schwammen an Riesenschildkröten vorbei, sahen einen Hai (der schlief), Barrakudaschwärme und vieles mehr. Wir beschlossen auch noch den Adventure-Diver-Schein zu machen, was bedeutete dass wir einen Nachttauchgang machten und bis auf 30 Meter runtergingen. Unten konnte man dann Feuerfische und andere exotische Dinge sehen, der Tiefenrausch blieb allerdings aus.
Die drei Tage auf dem Boot waren unvergleichlich, und leider viel zu schnell vorbei. Ein paar Tage später ging es für meinen Freund dann auch schon wieder zurück nach Deutschland, um dort sein Studium zu beginnen. Für mich hingegen begann eine spannende Reise allein quer durch Australien.

Allein am Uluru

Erstmal Geld verdienen

Tja nun stand ich da, alleine in Cairns, und fühlte mich ein bisschen so wie am ersten Tag in Neuseeland: “So und was jetzt?” Ein komisches Gefühl, vor allem wenn man 5 Monate zu zweit unterwegs war. Erstmal hatte ich mir vorgenommen zu arbeiten, weil wir während der Zeit zu zweit kaum etwas Anständiges gefunden hatten. Das Schicksal führte mich nach Bowen, wo ich erst auf dem Bau arbeitete, und dann einen Monat lang Melonen pflückte. Die härteste Arbeit war das pflücken von Wassermelonen, die im Schnitt 10 bis 20 kg wiegen, aber gleichzeitig so empfindlich sind, dass man sie immer vorsichtig ablegen muss. Das Gute an der Arbeit ist natürlich, dass es ständig Melonen umsonst gibt. Allerdings konnte ich die irgendwann auch nicht mehr sehen.

Von Cairns nach Darwin

Nach diesem Monat asketischen Daseins machte ich mich auf um von Cairns nach Darwin zu fliegen, der nördlichsten Großstadt Australiens. Auf einer Ausflugstour in den Kakadu National Park lernte ich einen Lehrer kennen, der mir anbot, in seiner Wohnung in Melbourne unterzukommen, falls ich dort vorbeikäme, da er jetzt weiter nach Kambodscha und Laos reisen würde. Ich war mir erst nicht sicher ob er das ernst meinte, da er mich kaum kannte, aber er sagte ich solle einfach seinen Freund Gary kontaktieren, der währenddessen in Melbourne seine Wohnung aufpasste. Von Darwin aus nahm ich den Ghan (eine Zugverbindung von Nord nach Südaustralien) nach Alice Springs wo ich natürlich beim Uluru halt machte. Alice ist auf jeden Fall eine Erfahrung, ein lebendiger Ort mitten in der brühenden Wüste, der gleichzeitig Zeugnis ist für die traurigen Folgen europäischer Übersiedlung für die Aborigines.

Die australische Gastfreundschaft von ihrer besten Seite

Anschließend ging’s weiter nach Adelaide, der Festivalstadt, die auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Da ich nun innerhalb von einer Woche 3000 Kilometer nach Süden gereist war kam es mir bei meiner Ankunft in Adelaide eisig kalt vor – obwohl es immer noch 20 °C waren. Von dort ging’s dann mit dem Bus nach Melbourne, wo ich den besagten Gary einfach mal anrief. Dieser meldete sich total freundlich und wusste auch schon Bescheid, dass ich in der Wohnung bleiben konnte. Als ich ankam lud er mich erstmal zum Essen ein und zeigte mir die Stadt. Er war pensionierter Rektor einer Melbourner Highschool und freute sich richtig darüber, einem Gast seine Heimat zu zeigen. Wir fuhren ein paar Tage runter zur Great Ocean Road, wo er Verwandte besuchte und mir seinen Heimatort zeigte. So konnte ich zwei Wochen in Melbourne wohnen, ab und zu etwas mit Gary unternehmen und lernte viel mehr über Australien als es in einem Backpackers der Fall gewesen wäre.

Noch an den Strand, und dann nach Hause!

So ging meine zweimonatige Rundreise sehr schnell vorbei, ich war jedoch sehr froh auch allein unterwegs gewesen zu sein, da es etwas völlig anderes war. Man kommt schneller mit Leuten in Kontakt, erlebt so mehr lustige Dinge, aber muss sich auch um alles selber kümmern und alles selbst in die Hand nehmen. Jedenfalls machte ich mich bald wieder auf den Weg zurück nach Sydney, wo ich noch ein paar alte Bekannte Backpacker traf, und mich bei 28° C an den Strand legte und die letzten Tage genoss. Dann schließlich ging mein Flieger zurück in die Heimat, wo es gerade geschneit hatte.

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