Digitale Nomaden im Interview | Judith und Sebastian von Packtor

Ob Roadtrips durch die Flüsse und Wüsten Australiens, eine Tour mit einem Seitenmotorrad durch die Steppen und Gebirge Asiens oder zu Fuß durch den Dschungel Papua-Neuguines – Judith und Sebastian sind schon seit vielen Jahren als digitale Nomaden tätig und haben in der Zeit extrem viel von der weiten Welt gesehen. Im aktuellen Interview im Work and Travel Magazin geben sie Einblicke in ihre spannenden Reiseerlebnisse, haben Tipps für das ortsunabhängige Leben als digitaler Nomade und stellen ihr aktuelles Projekt vor – einen Packlisten Generator, der ganz individuell Packlisten für jede Reise zusammenstellt.

w&t/magazin: Als digitale Nomaden seid ihr natürlich schon sehr viel gereist und habt unglaublich viel von der Welt gesehen. Was war für euch der schönste Ort, an dem man noch nicht von zahlreichen, weiteren Backpackern umgeben ist?

Judith: Wir sind gerne abenteuerlich in der Natur unterwegs. Besonders beeindruckend für uns waren die Tour mit einem Seitenwagen-Motorrad von Kirgisistan nach Deutschland und eine Wanderung mit der Machete durch den Dschungel von Papua Neuguinea. Dabei haben wir oft wochenlang keine Touristen, aber auch keine richtige Dusche, gesehen. Wer Ursprünglichkeit und Ruhe vor anderen Backpackern sucht, sollte seine Komfortzone verlassen. Immer schauen, wohin die Anderen gehen und diese Orte meiden. Das klappt eigentlich in jedem Land. Aber man muss nicht sofort mit der Dschungeltour anfangen – Kirgisistan liegt in unserem Lieblingsländer-Ranking wirklich ganz weit vorn: Massive Berge, endlos grüne Hochplateaus, kristallklare Seen, super liebe Menschen, Backpacker mit fesselnden Geschichten und eine Regierung, die Einreisen leicht macht.

w&t/magazin: Wie schwer ist euch der Schritt ins „digitale Nomadentum“ gefallen?  Wie lange hat es gedauert, bis ihr euch damit auch diesen reiseintensiven Lebensstil finanzieren konntet?

Sebastian: Die Entscheidung, ein ortsunabhängiges Einkommen zu schaffen, ist uns sehr leicht gefallen. So wie die Antwort auf die Frage: Freiheit oder Fremdbestimmtheit? Für uns bedeutet dieser Lebensstil nicht unbedingt, dass wir reiseintensiv leben müssen. Aber wir können, wenn wir wollen. Der Weg zum „vollständigen digitalen Nomaden“ war nicht so leicht wie die Entscheidung dafür. Wir haben unser Online-Business nebenberuflich aufgebaut. Nach ungefähr 2 Jahren konnten wir beide gerade so davon leben. Es kostet Kraft und Durchhaltevermögen, denn das ortsunabhängige Unternehmertum ist eine relativ neue Arbeits- und Lebensweise. Der Weg ist nicht so glatt geteert, wie der, den die meisten Menschen im Umfeld gehen.

w&t/magazin: Würdet ihr generell allen reiselustigen, jungen Leuten (mit besonderen Skills für das digitale Nomadentum) den Schritt zum ortsunabhängigen Arbeiten empfehlen? Welche Gefahren seht ihr dabei?

Sebastian: Auf den ersten Blick wirkt dieser Lebensstil wie ein Geheimtipp; die ultimative Abkürzung zum wunschlos glücklichen Traumleben (so wird es oft ja auch verkauft). Wir raten Jedem, sich intensiv damit zu beschäftigen. Dann findet man schnell heraus, dass es neben Freiheitsdrang auch viel KnowHow und echtes Unternehmerblut braucht. Das hat nicht Jeder – macht aber nichts – denn um eine reisehungrige Seele zu füttern, muss man ja nicht gleich den großen Cut mit den handelsüblichen Lebens- und Arbeitsmodellen machen. Man kann es auch erst mal ausprobieren: Mit einem Auslandsjahr oder den Chef nach einem Sabbatical, Jobbatical, Heimarbeit oder Teilzeitmodell fragen.

Judith: Eine große Gefahr ist wahrscheinlich, wenn das plötzlich alle machen wollen. Denn dann hätte Deutschland ein noch größeres Problem als jetzt schon. Dann müssten Unternehmen umdenken, flexibler werden und begreifen, dass vielen jungen Menschen Freizeit wichtiger ist als ein Firmenwagen. Sabbatical statt Boni. Freiheit statt Karriereleiter. Dann wäre das digitale Nomadentum eine (kleine) Bewegung für ein Umdenken in der Arbeitswelt – eigentlich ein ganz toller Gedanke. Also: Los geht´s :-)

Im Dschungel Papua-Neuguines
Abendessen in einem Dschungeldorf in Papua-Neuguinea

w&t/magazin: Habt ihr einen speziellen Tipp für unsere Leser, die später möglicherweise den Weg zum digitalen Nomaden gehen wollen?

Judith: Herzblut! Das hilft uns am allermeisten. Wer mit Herz dabei ist, fängt schneller an, lernt leichter und hält länger durch. Das merken auch die anderen: Authentizität und Leidenschaft überzeugen einfach am besten.

w&t/magazin: Kommen wir jetzt zu euerm großen, aktuellen Projekt. Wie ist die Idee mit dem Packlisten-Generator „Packtor“ entstanden?

Sebastian: Das war nach einer mehrjährigen Reise. Zurück in Deutschland hatte uns der Post-Travel-Blues ziemlich übel erwischt. Dass wir irgendwie anders Leben und Arbeiten wollten, war uns klar aber wie ganz genau, noch nicht. Also haben wir geschaut, was uns gefehlt hat: Eine verlässliche Anlaufstelle rund um die Themen Packen, Reise-Vorbereitung und -Ausstattung. Mit Packlisten, die genau auf den Reisenden zugeschnitten sind. Das hat perfekt gepasst, wir haben losgelegt und es hat geklappt.

w&t/magazin: Im Internet findet man unzählige Packlisten von den verschiedensten Reiseanbietern und Bloggern. Könnt ihr uns in wenigen Sätzen erklären, was gerade euren Packlisten-Generator so besonders und mehrwertig macht?

Sebastian: Die allermeisten Packlisten, die man im Netz so findet, bestehen aus einer festen Version. Das ist prima, wenn man sich Inspiration holen möchte, aber wir hatten einen anderen Ansatz: Wir wollten ein praktikables Tool erfinden, das neben allen wichtigen Dingen auch auf individuelle Bedürfnisse und verschiedene Reisearten eingeht. Deswegen erstellt Packtor Checklisten, die passgenau auf den Reisenden zugeschnitten sind.

Judith: Mit der erstellten Liste kann man viel machen: Artikel hinzufügen, löschen, verschieben, dem Handgepäck zuordnen, Listen speichern, mit Freunden teilen, gemeinsam packen, … und seit es Packtor auch als App gibt, kann man jetzt von überall auf seine Packlisten zugreifen.

w&t/magazin: Der Packlisten-Generator beinhaltet konkrete Angaben zu einer unterschiedlichen Dauer bei Reisen von einem Zeitraum bis 14 Tage. Danach wird bei der Liste aufgrund des Zeitraums nicht mehr unterschieden. Macht es eurer Meinung nach bezüglich des Gepäckes keinen wirklichen Unterschied mehr, ob man sich für 3 Wochen oder als Work & Traveller vielleicht sogar für 2 Jahre beispielsweise nach Australien aufmacht?

Judith: Nein, das macht für die Anzahl wirklich keinen Unterschied. Zumindest tut man sich keinen Gefallen, wenn man mehr mitschleppt. Wer nutzt denn schon mehr als 14 Unterhosen zuhause? Da gibt es eine magische Grenze, bei der es Sinn macht, die Kleidung unterwegs zu waschen. Und wenn man merkt, es fehlt etwas, dann kauft man dieses eine Teil eben noch nach. Wir sind absolute Verfechter von leichtem Gepäck. Wenn man zuhause sitzt, tendiert man gern dazu, viel zu viel mitzunehmen – da müssen wir uns auch manchmal noch drosseln, nach wie vor.

w&t/magazin: In welchen Punkten könnte sich bei längeren Reisen eurer Meinung nach die Packliste eines Work & Travellers mit der eines Touristen unterscheiden?

Sebastian: Der Hauptunterschied liegt in der Kleiderwahl. Wer schon weiß, was er als Work & Traveller arbeiten wird, kann zusätzlich zur Grundausstattung noch Arbeitskleidung mitnehmen: Z.B. belastbare/alte Teile zur Farmarbeit oder schwarze Hose/ weiße Bluse zum Kellnern. Und vielleicht möchte man nach einem Arbeitstag auch einfach mal auf der Terasse lümmeln, das geht natürlich am besten in gemütlicher Klamotte. Noch mehr als der Tourist, sollte ein Work & Traveller auf Multifunktionalität achten. Toll ist, wenn ein Teil viele andere Dinge ersetzen kann, wie Handy, eReader, Poncho oder Multifunktionstuch.

Mit einem Seitenwagenmotorrad durch den Ural.
Judith und Sebastian reisen mit einem Seitenwagenmotorrad durch Kirgisistan.

w&t/magazin: Welches Gepäckstück macht bei langen Individualreisen mehr Sinn? Koffer oder Rucksack?

Judith: Ganz klar: Ein Kofferrucksack mit kleinem Daypack. Bei langen Individualreisen weiß man nicht genau, was kommt und mit Rucksack ist man einfach flexibler. Es ist furchtbar nervig, unterwegs ständig mühsam nach seinen Klamotten zu kramen – Kofferrucksäcke kann man ganz aufklappen. Die Tragesysteme sind mittlerweile auch so weit, dass man sie über mittellange Strecken mühelos auf dem Rücken tragen kann. Persönlich reisen wir allerdings nur noch mit Handgepäck-Rucksack, egal wie lange wir unterwegs sind. Das erleichtert Reisen wortwörtlich.

w&t/magazin: Was ist euer Expertenrat? Worauf sollte man beim Rucksackkauf unbedingt achten?

Sebastian: Zuerst ist es wichtig, herauszufinden, für was der Rucksack eingesetzt werden soll. Wer ernsthafte Trekkingtouren mit Selbstversorger-Etappen einplant, braucht einen Trekkingrucksack mit richtiger Rückenlänge, passendem Hüftgurt und korrekter Einstellung. Wer einen Allrounder sucht, kann zwischen Trekking- und Kofferrucksack wählen. Auf was man dabei achten sollte: Robustes Material und gute Verarbeitung, praktische Taschen-Aufteilung, Wasserfestigkeit (Regenhülle) und gutes Tragegefühl (mit Gewicht Probetragen!).

Wer mehr wissen möchte – wir haben in unserem Blog einen großen Artikel zum Thema passender Rucksack.

w&t/magazin: Besitzt ihr einen Geheimtipp für ein Gegenstand/Utensil, welches bei langen Reisen sehr nützlich sein kann und welches man nicht in den gängigen Packlisten findet?

Judith: Ein Online-Backup sämtlicher Daten ist total praktisch. Einfach Passkopie, Pin-Nummern, Adressen, Kreditkartennummer usw online speichern. So hat man alles an einem Platz und von überall auf der Welt Zugriff auf die wichtigsten Dinge. Außerdem gehen wir nicht ohne Sarong: Wickelrock, Handtuch, Decke, Sonnendach, Umkleideraum und Raumteiler in einem. So hat man wieder ein bisschen Gepäck gespart :-)

Jetzt neu auf Auslandsjob.de:

Hier findet ihr eine spezielle Work and Travel-Version des Packtors

Hat das Interview auch deine Reiselust geweckt?

Hier findest du aktuelle Programm-Angebote für verschiedenste Auslandszeiten!

Das könnte dich auch interessieren

Interview mit der digitalen Nomadin Julia Schneider

Reiseblogger oder digitale Nomade?

Interview mit einer Work and Travellerin in Australien

Die Anti-Packliste für Work and Travel


Schreibe einen Kommentar