Tausch-Mann Michael Wigge: Mit einem angebissenen Apfel zum Traumhaus auf Hawaii

Michael Wigge hatte schon seit der Kindheit, den Traum von einem Haus auf Hawaii. Mit einem angebissenen Apfel fing es an, 41 Tauschaktionen in 14 Ländern auf fünf Kontinenten und 200 Tage später endete die Mission erfolgreich. Nicht das erste Mal, dass der Reporter  so etwas Verrücktes durchzog: 2010 reiste er „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“, genauer in die Antarktis, gerade ist der 37-Jährige in 80 Tagen mit dem Tretroller durch Deutschland gefahren. Wir haben mit Michael Wigge über seinen Tauschrausch gesprochen.

Wer hatte die Idee zu deiner verrückten Tauschaktion, du oder der Sender?
Die Idee kam uns zusammen. Ich hatte vorher die Serie „Ohne Geld ans Ende der Welt“ gemacht. Die lief relativ erfolgreich bei ZDFneo und war auch für den Grimme-Preis nominiert, und dann hieß es: Mach doch wieder was! Da dachte ich: Super! Was ein Luxus! Da kann ich mir etwas noch Lustigeres ausdenken, etwas, das ich schon immer machen wollte. Ich wollte dann bei den Herausforderungen bleiben. Ich hatte von einem Mann in den USA gehört, der sich übers Internet hoch getauscht hat. Da kam mir die Idee, das nachzumachen, aber nicht übers Internet. Denn mein Thema ist das Reisen. Ich habe mich gefragt, ob es möglich wäre, sich einmal um die Welt hoch zu tauschen. Von ZDFneo gab es dann einen Apfel, 200 Tage Zeitlimit  und ich hatte die Auflage, durch alle Kontinente zu reisen und über Tauschkulturen zu berichten.

Generell waren die Vorgaben ja sehr sportlich, 200 Tage Zeitlimit, als Ausgangswährung einen Apfel, den sie dann auch noch angebissen haben, was hat dich denn da geritten?
Das war der Übermut am ersten Tag. Vor der Reise hatte ich mir genügend Selbstbewusstsein antrainiert, das braucht man für so eine Challenge ja auch.

Wie erklärst du dir den Erfolg des „Tauschrausches“, waren die letzten Stationen nur möglich, weil die US-Amerikaner so positiv verrückt sind?

Es gab mehrere Strategien, die ich hatte, die das Ganze möglich gemacht haben. Am Anfang gab es die Strategie: Zusatzleistung. In Australien wollte ich beispielsweise Seide gegen ein wertvolleres Gemälde tauschen. Da fragte der Tauschpartner: Und, was kriege ich noch? Da habe ich als Mutprobe ein Krokodil gefüttert und dieser Tauschpartner hatte große Lust, mir zuzugucken, wie ich das voller Angst mache. Strategie zwei war: Aus eins mach zwei. Die habe ich erst gegen Mitte der Reise umgesetzt. Hintergrund war, dass wenn man Gegenstände über 1000 Euro tauscht, macht keiner mehr auf der Straße mit. Ich hatte zum Beispiel einen Gegenstand für 1000 Euro und habe den dann beispielhaft in zwei Gegenstände für jeweils 600 Euro getauscht. Damit konnte ich meine Werte unten halten und mir die Tauschmöglichkeiten erleichtern. Daher bin auch nach Hawaii mit neun verschiedenen Gegenständen geflogen. Und die dritte Strategie hatte tatsächlich etwas mit den USA zu tun. Denn wir waren mit der Geschichte sehr nah am ,American Dream` dran. Vom Apfel zum Haus, alles ist möglich. Die US-Amerikaner lieben Challenges. Dann hatte ich ja noch das Kostüm an. Ich war Barter-Man, also eine Abwandlung von Superman, ein Tausch-Mann.

Das fanden die US-Amerikaner super und haben sich an ihre Heldenfiguren erinnert. Diese Mischung hat es dann ermöglicht, dass die USA wirklich ein grandioses Finale war.

Was war der schwierigste Tausch, war es das Pony in Südamerika?
Ich hatte ja mit einem Papagei sogar noch ein zweites Tier auf meiner Reise, was ich tauschen musste. Das Schwierigste war aber eigentlich von drei Kilo Tee in Indien wieder herunter zu kommen. Da habe ich gedacht: Ich muss jetzt hier echt was tun, sonst wird das Ganze ein Desaster. Ich habe mir gesagt: Egal, wie lange es dauert, der nächste Tausch ist ein Tuk Tuk, also ein dreirädriges motorisiertes Taxi. Das hat drei Wochen gedauert, um mit wirklich vielen Tricks und Kniffen von dem Tee auf dieses Tuk Tuk zu kommen.

„Die Inder sind nicht für Spaßtäusche zu haben“

Den Indern kann man also, was das Tauschen angeht, nichts vormachen?
Die indische Kultur hat einen gewissen Pragmatismus, das wusste ich vorher gar nicht. Aus der Entfernung hatte ich die Kultur immer als etwas verblümt eingeschätzt, was die spirituelle Richtung angeht. Aber beim Tauschen kam ganz klar der Pragmatismus der Inder zum Vorschein. Ein Inder fragt: Brauche ich das, oder brauche ich das nicht? Die Inder sind nicht für Spaßtäusche zu haben. Ich bin ja aus der Schweiz mit einer Handwaschmaschine, einem angeblichen Stein aus dem Weltall einer außerirdischen Sekte, mit einem Schweizer Schlitten und einem Schweizer Taschenmesser angereist. Da haben die Inder gesagt: „Die Sache mit dem Stein glauben wir dir nicht. Den Schlitten brauchen wir auch nicht.“ Aber die Handwaschmaschine war der Knaller! Da hätte ich nicht mit gerechnet, ich hätte gedacht der angebliche Stein aus dem Weltall wird da zum Kult.

Hast du von Beginn an geglaubt, dass es mit dem Haus klappt? Vor der Tausch-Aktion hast du es ja schon einmal ohne einen Cent in der Tasche bis in die Antarktis geschafft, oder im Amazonas für ein paar Tage bei den Sanema-Indianern gelebt, das heißt, du bringst ja auch eine gewisse positiv Verrücktheit mit.
Das stimmt, ich habe schon irgendwie das Alles-ist-machbar in mir. Ich habe aber auch das Restrisiko verdrängt und ich habe auch ein bisschen geplant. Ich war ja schon einmal während der Reise „Ohne Geld ans Ende der Welt“ auf Hawaii. Da bin ich zufällig auf der größten hawaiianischen Inseln gelandet und habe erste Kontakte geknüpft. Dabei habe ich auch festgestellt, dass es riesige Preisunterscheide für Häuser auf den einzelnen Inseln dort gibt. Auf der Insel, wo Honolulu ist, kostet ein Haus eine Million US-Dollar, da braucht man gar nicht anfangen. Aber es gibt dort auch Ecken, die sind durch Lavazufluss der Vulkane relativ günstig. In anderen Regionen leben Aussteiger, die immer für Tauschverfahren gut sind und selbst tauschen, weil sie ohne Geld leben. Ich hatte also Wissen über die hawaiianischen Inseln, wo es geht und wo nicht. Dadurch konnte ich eine Einschätzung machen, in welcher Gegend besonders viele positive Parameter vorhanden sind. Honolulu und die ganze Insel schied dabei von vornherein aus, aber damit konnte ich leben. Gegen Mitte der Reise habe ich dann noch einmal kalte Füße bekommen, als ich eine gewisse Angst bekam und dachte: Wenn das jetzt alles schief geht, was machst du dann? Das hat sich aber in Mut aufgelöst, als ich mit neun Gegenständen nach Hawaii geflogen bin. Ich hatte einen Kameramann dabei, der sich viel mit Pressearbeit beschäftigt hat. Der hat es geschafft, dass mich die hawaiianische Zeitung interviewt und sogar mit einem seitengroßen Foto und dem Titel „German Barterman seeks house“ auf die Titelseite gebracht hatte. Das war der Schlüssel und Gold wert. Da konnten die Leute mir schreiben und dann kam es zu der Gelegenheit mit dem Grundstück und am Ende auch zum Haus.

Gab es einen Punkt, an dem du kurz vor dem Aufgeben warst? In Indien wärst du ja fast gescheitert, als du die sechs Kilo rohes Fleisch anfangs nicht loswurdest.
Ich glaube, ich habe einen sehr starken Verdrängungsmechanismus und einfach weitergemacht. Wenn ich jetzt zurückdenke, was ich oft mache, war aller Grund dafür da, zu denken: Oh Gott, was machst du hier eigentlich. Es gab nämlich schon ziemlich viele schwierige Situationen. In Indien war ich beispielsweise todkrank, da habe ich Parasiten bekommen. Das war schon krass. Und nach sechs Wochen Tauschen war ich bei drei Kilo Tee angelangt. Insgesamt habe ich schon viel Glück gehabt, aber auch viel Energie investiert, aber es hätte auch schief gehen können. Das ist schon eine einmalige Lebenserfahrung, das macht man so nicht noch einmal.

Das Buch als unkonventionelle Reisevorlage

Was hat dir persönlich die Reise gebracht und was kann jeder davon Reise lernen?

Mir persönlich hat es Verschiedenes gebracht. Ich habe noch einmal neue Kulturen in  Australien, Singapur und Ostafrika kennen gelernt, obwohl ich vorher auch schon viel gereist bin. Auch das Tauschen an sich war für mich neu, ich bin kein Tauscher. Diese Erfahrung des Tauschens und wie man solche Deals ohne Geld macht. Das Geld ist eine vereinfachte Variante, wo alles klar ist. Beim Tauschen ist aber das Zwischenmenschliche wichtig, man muss sich vertrauen, es geht auch darum, zu unterhalten. Man muss sich auch Angebot und Nachfrage genau überlegen. Es gibt unterschiedliche Preisniveaus in unterschiedlichen Ländern. Seide aus Indien hatte in Australien einen viel höheren Wert. Da habe ich viel gelernt. Der Zuschauer oder Leser des Buches kann viel mitnehmen als Reisevorlage, wenn man unkonventionell reist. Das Thema „Ohne Geld“ spielt da ja auch mit rein. Und dass manchmal nur der Humor hilft. Es gab natürlich auch ernste Situationen, wie zum Beispiel in Indien, als ich im Dharavi Slum war. Da hatten wir das Thema, dass Leute tauschen, um zu überleben. Und wer sich das anguckt, bekommt einen guten Einblick, wie Tauschverfahren arme Menschen wirklich noch retten können.

Tauschen wird ja seit Jahrhunderten praktiziert, ist aber ein wenig aus der Mode gekommen. Hat Tauschen  Zukunft, gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Das ist nicht leicht zu sagen, aber mir fällt es immer wieder auf, dass Tauschen wie eine Retro-Kultur ist. Auch online wird getauscht, und manchmal wird auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen getauscht. Tansania hat in Krisenzeiten zum Beispiel Öl gegen Lebensmittel getauscht. Also auch auf staatlicher Ebene kommt Tauschen vor.  Auf persönlicher Ebene gibt es zum Beispiel in Deutschland und Österreich die Tauschkreise- und klubs, die ihre persönlichen Talente im Tausch anbieten. In Österreich konnte ich damit in einer Bäckerei zahlen. Die Geldwirtschaft wird jetzt nicht vom Tauschen abgelöst, aber mit Sicherheit ist da ein Revival zu spüren.

Gehört das Haus denn jetzt dir oder dem Sender? Anfänglich konnten sich ja Zuschauer und Leser für einen Aufenthalt dort bewerben.
Genau, ein Jahr lang war das Haus offen für Bewerbungen im Tauschverfahren, die Gäste mussten nur den Flug selbst zahlen. Der Traumurlaub hatte dann allerdings auch ein paar Nachteile, weil es in der Gegend, wo das Haus steht, sehr viel regnet und das Haus ziemlich feucht geworden ist. Danach war nicht mehr alles Gold, was glänzt und wir haben das nach einem Jahr erst einmal vorläufig eingestellt. Ich fliege jetzt nächsten Mittwoch nach Hawaii, um dort nach dem Rechten zu sehen. Ich bin selbst gespannt, wie es meinem Haus geht.

Wie macht Michael Wigge Urlaub, wenn er einmal nicht beruflich auf Reisen geht, oder gibt es den ganz normalen Urlaub gar nicht mehr?
Doch, aber durch die vielen Reisen in den vergangenen Jahren habe ich das natürlich oft verbunden. Als ich in Südamerika beim Sanema-Stamm war, bin ich hinterher noch einmal eine Woche in Venezuela an die Küste gereist. Vor zwei Jahren war ich einmal ganz normal im Urlaub mit Freundin und Freunden in Italien. Wenn ich jetzt nach Hawaii fliege, drehe ich nur in den ersten Tagen etwas am Vulkan und mache dann Urlaub mit einem Freund. Irgendwie ist das Berufsbild, das ich derzeit habe, schon so ein Luxus, dass ich beides schon ganz gut verbinden kann.

Nächstes Großprojekt: Eine 80-Tage-Reise durch Deutschland

Und das nächste Großprojekt steht ja ebenfalls bereits kurz vor dem Abschluss.
Ja, genau. Seit 10. April stand eine 80-Tage-Reise durch Deutschland auf dem Programm. Nachdem ich die Welt zwei Mal gesehen habe, war ich im Auftrag von Deutsche Welle TV unterwegs und habe Deutschland vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt auf einem Tretroller bereist – dabei musste ich ungefähr 2500 Kilometer in 80 Tagen zurückzulegen. Das war dann Challenge Nummer drei, Challenge Nummer eins war ja ohne Geld zu reisen, Challenge Nummer zwei Tauschen. Auch von der dritten Challenge wird es wieder ein Buch geben.

Interview: Simone Zettier

Michael Wigges Tauschrausch
Der Tauschrausch ist im März 2011 gestartet und war Ende 2011 nach 200 Tagen erfolgreich angeschlossen. Auf seinem Weg von einem angebissenen Apfel zu seinem Kindheitstraum, einem Haus auf Hawaii, hat der 36-jährige Michael Wigge 41 Tauschaktionen in 14 Ländern auf fünf Kontinenten absolviert und dabei nebenbei viel über die Tauschkultur in aller Welt gelernt. Wigge ist nun stolzer Besitzer eines 40-Quadratmeter-Hauses mit 1000-Quadratmeter Grundstück auf Hawaii, das er sich ein Jahr lang mit den Zuschauern von ZDFneo und den Lesern seines Buches „Wigges Tauschrausch“ geteilt hat. Die konnten dort nämlich ebenfalls für eine gewisse Zeit nächtigen – gegen einen Tausch natürlich.

Mehr zu Michael Wigge auf: http://www.pichuproductions.de


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